Weil Montag ist: Drecksnest – Kapitel 1
Weil Montag ist oder vielleicht weil ich einfach nur mal wieder was posten möchte, gibt’s heute das erste Kapitel aus meinem Roman „Drecksnest“. Erhältlich als E-book und Taschenbuch bei Amazon. Here you go:
Drecksnest – Kapitel 1
Rocco wirft einen genervten Blick auf seine Uhr.
Eine Rolex. Gefälscht. Aber das weiß er nicht. Der Fettsack glaubt, das Ding ist echt. Dabei sollte er es wirklich besser wissen. Hinter seinem Rücken machen sich alle darüber lustig, aber niemand sagt es ihm. Irgendwann kriegt er es mit, und dann fliegen die Fäuste, soviel steht fest. Wenn man ihn verarscht, wird der Dicke zum Tier.
– Weißt du, was ich mehr hasse als warten? Warten auf blöde Kanaken.
Dante erwidert nichts. Starrt durch die Windschutzscheibe auf die mit Graffiti beschmierten Betonpfeiler. Rocco hat recht. Die Albaner sind spät dran. Sie warten jetzt bereits fast eine halbe Stunde hier unter der Brücke. Aber was spielt das schon für eine Rolle?
Für Dante jedenfalls keine.
Er steckt sich eine Kippe zwischen die Lippen und zündet sie an. Ein routinierter Prozess, der abläuft, ohne dass Dante sich dessen wirklich bewusst ist. Dabei hätte er beinahe mit dem Rauchen aufgehört.
Für Francesca.
Im Gegenzug wollte sie die Finger vom Kokain lassen. Sie hatten ihren kleinen Deal mit einem Handschlag besiegelt. Einem leidenschaftlichen Kuss. Einer leidenschaftlichen Nacht. An einem Freitag. Der Deal sollte ab Montag gelten. Am Wochenende dazwischen durften sich beide noch einmal ihren Schwächen hingeben, so war die Abmachung. Ein Wochenende, das alles verändert hatte.
Jetzt gilt der Deal nicht mehr.
– Ich versteh nicht, warum Aldo sich mit den Muftis einlässt. Sind doch alles Terroristen. Mieser Abschaum.
Sagt der Abschaum, denkt Dante, aber hält den Mund.
– Wer weiß, vielleicht finanzieren die Wichser mit Aldos Kohle den nächsten Terroranschlag. Dann machen wir uns mitschuldig.
Schon interessant, wenn einer wie Rocco plötzlich moralische Gedankengänge anstellt. Nicht, dass Dante sich für einen besseren Menschen hält, aber zumindest ist er kein Psychopath wie Rocco. Töten gehört zu ihrem Leben. Aber die Freude am Töten, die Freude daran, andere zu quälen, so wie Rocco sie empfindet, die fehlt Dante. Im Gegenteil. Wenn Dante tötet, fühlt er nichts. Absolut gar nichts.
So ist das eben mit der Moral in ihrem Geschäft. Die legt sich jeder selbst zurecht.
Dante raucht schweigend weiter. Er fährt das Fenster des BMW ein Stück nach unten, damit der Rauch abzieht. Nasskalte Herbstluft strömt in den Wagen, trägt den Geruch von fauliger Erde und brackigem Wasser mit sich.
Roccos Wurstfinger trommeln unruhig auf dem Lenkrad herum. Jede Wette, gleich reißt er wieder das Maul auf.
– Hast du das von Francesca gehört?
Dante erstarrt. Ihr Name ist wie ein Schlag in seine Magengrube. Jeder Muskel in seinem Körper verkrampft sich. Er nimmt einen tiefen Zug von der Zigarette.
Rocco lässt nicht locker:
– Hast du?
Dante bläst den Rauch aus. Nickt. Sieht Rocco nicht an. Starrt nach vorn, durch die Windschutzscheibe, in die verregnete Nacht.
– Ja.
Bitte halt die Fresse, denkt Dante. Red nicht weiter. Halt einfach die Schnauze.
Aber den Gefallen tut Rocco ihm nicht.
– Hab gehört, sie ist von ihrem eigenen Scheißbalkon gefallen. Total zugedröhnt. Wie immer.
Er schnauft verächtlich.
– Die blöde Fotze.
Dante denkt an die Waffe in seiner Jacke. Er könnte sie ziehen und Rocco die Mündung an die Schläfe halten. Abdrücken und zusehen, wie sein Gehirn durch den Wagen spritzt. Auch wenn es da nicht viel gibt, was spritzen könnte. Dann müsste er sich wenigstens nicht mehr von diesem Scheiß anhören:
– Nicht, dass ich ’nen Dreck um die Hure gebe, aber ich mochte ihre Titten. Ehrlich, Alter, ihre Titten waren der Hammer.
Dantes linke Hand legt sich auf den Griff der Beretta. Die Entscheidung ist gefallen. Ziehen, abdrücken. Rocco für immer das Schandmaul stopfen.
– Da sind sie. Wurde auch Zeit.
Rocco zeigt durch die Windschutzscheibe auf die Scheinwerfer, die plötzlich auf der anderen Seite der Brücke in der verregneten Nacht leuchten. Sie kommen näher. Dante nimmt die Hand vom Griff der Waffe. Rocco hat keine Ahnung, wie knapp er mit dem Leben davongekommen ist.
Ein Mercedes rollt aus der Regenwand unter die Brücke und hält an. Etwa zehn Meter von ihnen entfernt. Dante kann vorne zwei Gestalten ausmachen und eine dritte auf dem Rücksitz. Er wirft die Kippe durch den Fensterschlitz nach draußen, dann beugt er sich nach hinten und holt den Aktenkoffer vom Rücksitz. Rocco hat die Fahrertür bereits aufgestoßen und kämpft sein Übergewicht schnaufend aus dem Sitz.
Die drei Albaner klettern aus dem Mercedes. Dante kennt nur Tito, den kleinen Kerl in dem zu großen schwarzen Ledersakko. Die beiden anderen sind jung. Der eine ist Anfang zwanzig, muskelbepackt und steckt in einem violetten Jogginganzug – 50 Cent auf Albanisch –, der andere Ende dreißig, trägt Jeans und Bomberjacke.
Dante öffnet die Tür und steigt aus, den Koffer in der Hand. Rechts von ihnen gluckert die Spree, über ihnen rollt und brummt der Verkehr auf der vierspurigen Stadtautobahn.
Die Albaner bauen sich nebeneinander vor dem Mercedes auf. Tito hält einen Koffer in der Hand. Einen schmalen Samsonite. Er sieht Dante an.
– ‚tschuldigung. Standen in Stau.
Natürlich kann Rocco nicht anders:
– Scheiße, Stau. Man lässt Aldo La Sila nicht warten.
Titos faltenzerfurchtes Gesicht mustert den Dicken mit kaltem Blick.
– Du aber nicht La Sila, oder? Also Schnauze, Fettsack.
Rocco macht einen Schritt nach vorn.
– Du zockst mit deiner Gesundheit, du Scheißkanake.
– He.
Dantes Stimme ist laut und wirft ein Echo unter der Brücke:
– Wenn ihr mit dem Schwanzvergleich fertig seid, können wir die Sache hinter uns bringen.
Tito nickt.
– Natürlich.
Dante wirft Rocco einen warnenden Blick zu. Der Dicke schnauft aufgebracht, hält aber die Klappe und starrt die Albaner grimmig an.
Dante und Tito gehen aufeinander zu. Ihre Schritte knirschen auf dem Schotterboden. Sie bleiben auf halber Strecke zwischen den beiden Fahrzeugen voreinander stehen. Dante überragt den älteren Albaner um Haupteslänge. Titos tiefschwarzer Schnurrbart verzieht sich, als er lächelt und ein paar Goldzähne offenbart.
– Wenn Aldo gefällt, was er kriegt, brauchen wir uns nächste Mal nicht mehr unter Brücke treffen wie Gangster in Film.
Tito könnte ein Mundwasser vertragen. Rocco hätte ihm das wahrscheinlich gesagt, aber Dante will die Sache einfach nur hinter sich bringen. Er nickt.
– Wir geben euch Bescheid.
Dann tauschen die beiden Männer die Koffer und gehen zurück zu ihren Fahrzeugen. Dante legt den Koffer auf die Motorhaube des BMW und öffnet die Schlösser. Klappt den Deckel nach oben. Plastikbeutel mit Heroin aus Albanien. Für einen Testlauf mit dem La-Sila-Clan als Verteiler. Das wäre das erste Geschäft zwischen Italienern und Albanern seit sehr langer Zeit.
– Alles klar, Messina?
– Alles klar, Tito.
– Ihr Wichser.
Roccos Stimme. Dante hebt den Kopf. Sieht, dass Tito und seine beiden Jungs Waffen in den Händen halten und auf sie richten. Rocco hat den Kopf wie ein Bulle zwischen die Schultern gezogen und starrt die Albaner hasserfüllt an.
– Ich hab dir gesagt, man kann denen nicht trauen, Dante.
– Was soll der Scheiß, Tito?
Noch während Dante das fragt, gleitet seine Linke im Schutz des aufgeklappten Kofferdeckels zur Beretta in seiner Jacke.
Tito beachtet Dante nicht. Der Blick seiner kleinen, schwarzen Augen ist auf Rocco gerichtet.
– Wie sagst du? Scheißkanake?
Der Schuss kracht laut unter der Brücke, hallt vom Beton wieder. Rocco kippt nach hinten wie ein Sack Mehl.
Um Zeit zu sparen, feuert Dante, sobald er die Beretta aus der Jacke hat. Ungezielt. Direkt durch den aufgeklappten Kofferdeckel. Tito packt sich an die Brust und taumelt nach hinten. 50 Cent und Bomberjacke ducken sich und nehmen Dante unter Feuer. Dante zieht den Kopf ein und taucht in die Deckung des BMW ab, während der Koffer auf der Motorhaube von den Geschossen der Albaner ebenso durchlöchert wird wie kurz zuvor von seinen. Kugelsicher ist Samsonite dann eben doch nicht.
50 Cent heißt Razim. Er stammt aus einem kleinen Dorf an der Grenze zu Mazedonien. Er ist seit sechs Monaten illegal in Deutschland, weil die Luft in Albanien für ihn zu dünn geworden ist. Das hier ist erst sein zweiter Job für die Kushtrim-Familie.
Bomberjacke heißt Korab und lebt bereits fünfzehn Jahre in Berlin. In den Neunzigern, während des Krieges, hat er im Kosovo eine serbische Familie ermordet. Den Vater vor den Augen seiner Frau und der Kinder erschossen. Mutter und Tochter vergewaltigt. Dann die beiden Frauen und den zehnjährigen Sohn mit Kopfschüssen hingerichtet. Er fand das gerechtfertigt. Schließlich hatten die Serben das Gleiche mit seinen Landsleuten getan. Und Schlimmeres. Seit er in Deutschland ist, hat er für die Kushtrim-Familie zwei Männer ermordet. Andere gefoltert und halb tot geprügelt. Korab ist ein Mann fürs Grobe, und er macht seine Sache gut. Die Gewalt bereitet ihm keine schlaflosen Nächte. Er ernährt damit seine Frau und seine drei Kinder, das ist alles, was zählt.
Jetzt feuern die beiden Männer rasend schnell auf den BMW. Reifen platzen, Luft entweicht zischend, die Fenster splittern, die Karosserie wird durchlöchert. Ihr Timing stimmt, Razim feuert noch, während Korab mit geschickten Fingern das leere Magazin durch ein Neues ersetzt. Dann hat auch Razim sein Magazin geleert und lädt nach.
Die beiden Männer stehen da, die Waffen auf den BMW gerichtet. Bereit, sofort wieder zu schießen, sobald Dante sich hinter dem Fahrzeug zeigt. Es herrscht Stille. Nur die üblichen Geräusche. Das Wasser der Spree, der Verkehr über ihnen auf der Brücke. Irgendwo heult eine Sirene. Weit entfernt. Das gilt nicht ihnen. Es gibt an diesem Stück des Spreeufers keine Anwohner, nur verlassene Lagerhallen. Und oben auf der Autobahn kann auch niemand die Schüsse hören.
Dante bleibt hinter dem BMW verschwunden. Die Albaner tauschen einen kurzen Blick. Haben sie ihn erwischt? Liegt er tot oder angeschossen hinter dem Wagen? Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.
Korab nickt Razim zu. Der Junge versteht. Sie setzen sich in Bewegung. Langsam. Gehen auseinander, um den BWM von beiden Seiten zu umrunden. Razim von links, Korab von rechts. Sie werden Dante im Kreuzfeuer erledigen. Korab hat Razim erklärt, wie man so etwas macht, ohne sich gegenseitig abzuknallen. Jetzt hofft er, dass der Junge sich auch daran erinnert.
Der ist momentan mit etwas anderem beschäftigt. Razims Jogginghose ist im Schritt ausgebeult. Er hat einen Ständer. Wie damals in seinem Heimatort, als er die Frau von Fatjon, dem Verräter, mit dem Küchenmesser abgeschlachtet hat. Damals dachte er, es hätte daran gelegen, dass sie halb nackt gewesen war, nur in ihrer Unterwäsche, in der er sie aus dem Bad gejagt hatte. Aber hier gibt es keine nackten Frauen. Vielleicht hat sein Ständer also doch mit was anderem zu tun.
Und wenn schon. Das Gefühl ist jedenfalls gut. Sehr gut.
Sie haben den Mercedes umrundet.
Und sehen niemanden.
Kein Dante.
Wo ist der verdammte Itaker?, fragt sich Korab. Abgehauen? Eigentlich unmöglich. Sie hätten ihn sehen müssen. Es sind knapp fünf Meter bis zur nächsten Betonsäule, fast zehn bis zum Spreeufer. Sie hätten ihn gesehen, wenn er aus der Deckung des BMW gerannt wäre.
Korab gibt Razim ein Zeichen. Der geht in die Hocke, schielt unter den Wagen. Nichts. Er richtet sich wieder auf, sieht zu Korab, zuckt mit den Achseln.
Razim hat plötzlich ein beschissenes Gefühl. Wie Korab fragt er sich, wohin der Italiener verschwunden ist. Er denkt an eine Geschichte, die ihm seine Großmutter erzählt hat, von einem Bergdämon, der in die Dörfer kommt, um sich Menschenherzen zu holen, und der einfach so, von einem Moment zum anderen, verschwinden kann, nur um dann an ganz anderer Stelle wieder aufzutauchen. Diese Geschichte hat ihm als Kind oft den Schlaf geraubt, und auch jetzt noch, als er sich dran erinnert, spürt er, wie sich seine Nackenhaare aufstellen und ihm ein Schauer über den Rücken läuft.
Korab denkt nicht an Dämonen. Er denkt nur, dass dieser Dante verdammt gut sein muss, wenn es ihm gelungen ist, sich ungesehen aus dem Staub zu machen. Aber ist er wirklich abgehauen? Oder lauert er jetzt irgendwo ganz in der Nähe, wartet nur auf seine Chance? Dann sieht Korab die Beretta. Sie liegt halb unter dem BMW. Der Itaker hat seine Waffe zurückgelassen. Korabs Anspannung lässt nach. Der Kerl ist abgehauen. Der Respekt, den Korab gerade noch hatte, weil es Dante gelungen ist, unbemerkt aus der Deckung des Wagens zu verschwinden, weicht Verachtung. Der Kerl ist ein Feigling. Hat seine Knarre weggeworfen und sich verpisst. Tito hat ihn vor diesem Dante gewarnt. Dass er ein harter Kerl sei, wenn es zur Sache geht. Wohl doch nicht.
– Wir hauen ab.
Korab sagt das auf Albanisch, und Razim hat nichts dagegen. Ihm ist nicht geheuer, dass dieser Kerl sich einfach so in Luft aufgelöst hat. Die Geschichten seiner Großmutter gehen ihm einfach nicht aus dem Kopf. Die beiden Männer weichen zurück, weiterhin wachsam, angespannt, schussbereit. Razim klappt den durchlöcherten Samsonite mit dem Heroin zu und nimmt ihn mit der Linken.
Korab bleibt über Tito stehen. In Höhe des Herzens ist ein Loch in seinem abgewetzten Ledersakko. Es ist kaum Blut aus der Wunde geflossen, Tito muss sofort tot gewesen sein. Wenigstens das kann er Titos Frau sagen. Dass es schnell gegangen ist.
Korab hebt den Koffer mit dem Geld der Italiener auf. Er lässt den Blick ein letztes Mal umhergleiten. Dante bleibt verschwunden. Das ärgert den Albaner. Dass der Kerl davongekommen ist, heißt, sie haben keine saubere Arbeit geleistet. Und Korab war bisher stolz darauf, immer saubere Arbeit zu leisten.
Scheiß drauf, damit muss er wohl leben. Es ist vorbei. Nur schade um Tito.
Razim öffnet den Kofferraum, und sie legen die beiden Aktenkoffer hinein. Sie gehen nach vorn, öffnen die Türen und steigen ein. Razim steckt den Schlüssel ins Zündschloss. Er ist froh, hier wegzukommen.
Dann sieht er im Rückspiegel die Gestalt in die Höhe wachsen.
Dante jagt zuerst zwei Kugeln durch die Rückenlehne in Razim, dann, als Korab auf dem Beifahrersitz herumwirbelt, hebt er die Beretta und schießt dem Albaner mitten ins Gesicht. Blut und Gehirnmasse spritzen durch das Auto.
Dante stößt die Hintertür auf und springt ins Freie, die Waffe schussbereit. Aber die beiden Albaner sind keine Gefahr mehr. Er öffnet die Fahrertür. Razims Oberkörper liegt auf dem Lenkrad. Zwei blutige Einschüsse im violetten Jogginganzug. Blut tropft aus dem offenen Mund des Jungen auf die Armaturen. Er lebt noch und stammelt kaum verständliche Worte auf Albanisch. Dante schießt ihm in den Kopf, und er verstummt.
Dann lässt sich Dante gegen den Mercedes fallen und rutscht daran hinunter in die Knie. Seine Ohren klingeln, sind betäubt vom lauten Knall im Wageninnern, und er kann den Verkehr über sich auf der Autobahnbrücke nicht hören. Er bleibt eine Weile so hocken, atmet die kühle Nachtluft tief und gleichmäßig ein und wieder aus, bis sich sein Herzschlag beruhigt. Dann richtet er sich auf. Seine Ohren klingeln immer noch, aber die Umweltgeräusche kehren langsam zurück. Er geht zum BMW und hebt die andere Beretta auf. Gut, dass er die zweite Waffe eingesteckt hat. Es hat funktioniert. Die beiden haben geglaubt, er wäre abgehauen. Er steckt die beiden Pistolen weg.
– Dante …
Roccos Stimme. Der Dicke lebt. Dante eilt um den BMW herum. Rocco hat sich gerade auf den rechten Ellenbogen gekämpft. Er ist kreidebleich, das Hemd über seinem enormen Wanst blutdurchtränkt. Titos Kugel hat ihn in den Bauch getroffen.
– Verdammte Kanaken. Wollten uns bescheißen. Hast du sie erledigt?
– Ja.
Rocco streckt stöhnend den linken Arm aus.
– Hilf mir hoch. Ich muss zu ’nem Arzt. Und zwar schnell.
Dante starrt ihn an. Denkt an Francesca. An das, was Rocco über sie gesagt hat. Und dann ist da dieser andere Gedanke. Wie aus dem Nichts.
Das alles hier hinter sich zu lassen.
Nicht nur diese Nacht, das missglückte Geschäft mit den Albanern. Nein, wirklich alles. Als das mit Francesca und ihm angefangen hat, als es mehr als nur Sex wurde, da hat er zum ersten Mal gewagt zu träumen.
Von einem Leben mit Francesca.
Von einem Leben, über das er vor ein paar Jahren noch verächtlich gelächelt hätte. Dann war der Sonntagmorgen gekommen, an dem seine Träume gestorben waren und mit ihnen jeder Gedanke an Veränderung.
Bis jetzt.
– He, du Arschloch. Hilf mir hoch.
Er sieht auf Rocco hinab.
– Ich hab sie geliebt.
Rocco starrt ihn mit schmerzverzerrtem Gesicht an.
– Was?
– Francesca. Ich hab sie geliebt.
– Du blöder Wichser. Quatsch keine Kacke. Ich verblute. Bring mich zu ’nem beschissenen Arzt, aber pronto.
Dante zieht die Beretta und sieht noch das Unverständnis in Roccos Augen, bevor er ihm in die Stirn schießt, genau über der Nasenwurzel. Roccos Körper fällt zurück auf den Schotter, und unter seinem Kopf breitet sich eine Blutlache aus.
Dante steckt die Beretta weg und macht sich an die Arbeit.
Er zerrt die Leichen der beiden Albaner aus dem Mercedes. Dann wischt er Blut und Gehirnmasse im Wageninnern so gut es geht weg. Zumindest soweit, dass es niemandem bei einem zufälligen Blick im Vorbeifahren oder an einer Ampel auffällt. Er schleppt die Leichen der Albaner und die von Rocco in den BMW und schiebt sie hinein. Wirft den durchlöcherten Samsonite mit dem Heroin dazu. Übergießt die Körper und das Auto mit dem Benzin aus dem Ersatzkanister im Kofferraum.
Er nimmt eine alte Zeitung vom Rücksitz und knüllt sie zu einer Art Fackel zusammen. Zündet das Zeitungspapier an und wirft es in den Wagen. Dann läuft er zum Mercedes, rutscht hinters Steuer und lässt den Motor an.
Als er ohne Licht unter der Brücke weg in den Regen fährt und die unbefestigte Rampe hinauf zur Industriestraße, sieht er den brennenden BMW im Rückspiegel.
Jetzt gibt es kein Zurück mehr.