Interviews mit Drehbuchautoren 1: GEORG HARTMANN
Es gibt viele, verdammt viele Bücher über das Drehbuchschreiben. Die erzählen im Prinzip alle dasselbe, nur im anderen Gewand.
Persönlich lese ich am liebsten Interviews mit Drehbuchautoren, denn da erzählen Leute, die wissen wovon sie reden. Praxis statt Theorie. Es gibt viele gute Interview-Bücher mit amerikanischen und englischen Autoren, aber leider keins mit Schreibern aus Deutschland, zumindest kenne ich keins.
Deswegen nehme ich das jetzt mal selbst in die Hand und werde hier sporadisch Interviews mit Kollegen*innen veröffentlichen.
Der erste, der so nett war, ein paar Fragen zu beantworten, ist Georg Hartmann. Georg und ich haben uns vor ein paar Jahren bei einer gemeinsamen Serienentwicklung kennengelernt, aus der, wie so oft, nichts wurde. Aber wir hatten Spaß und das ist in unserem Job eine Menge wert.
Georg kommt aus dem Ruhrpott und lebt momentan in Florida. Wenn er nicht gerade eins von seinen Kindern durch die Gegend kutschiert, sich beim Kanufahren von Krokodilen jagen lässt oder Sturmschäden beseitigt, sitzt er vor seinem Laptop und schreibt für Serien wie Soko Köln oder momentan Dogs of Berlin, eine neue Netflix-Serie aus Deutschland.
Wie es sich für einen echten Jungen aus dem Pott gehört, redet Georg nicht um den heißen Brei herum.
Viel Spaß beim Lesen.
Wie bist du zum Drehbuchschreiben gekommen? Studium? Zufall? Früh? Spät? Weil du nix Richtiges gelernt hast? Erzähl mal von deinem Werdegang.
Das würde den Rahmen sprengen, aber ganz kurz: Uni Bochum, Toffifee (Theater-Film-und Fernsehwissenschaften). Zwei Semester Drehbuchwerkstatt, dabei nix gelernt, außer dass der Dozent mir gesagt hat, ich sollte besser was anderes machen. Hätte nen guten Stil, aber keine Substanz. Der Typ war Redakteur beim kleinen Fernsehspiel, bei den Dingern bin ich immer eingepennt. Ich war Kamera-Assi während des Studiums, wollte über Kamera zur Regie. Bin dann nach LA, weil ich mich in eine Amerikanerin verliebt hatte, bin 10 Jahre geblieben. Über alle möglichen kleinen Jobs im Business dann irgendwann zum Non-Fiction-Schreiben. Dann diverse Entwicklungen für einen deutschen Produzenten – für lau is klar. Dann Dokus, dann Reality TV, Regie und Schreiben, schließlich Full Time Fiction (sprich Drehbuch) in Deutschland. Inzwischen lebe ich wieder in den USA, aber das hat familiäre Gründe. Dachte ich krieg hier keine Arbeit aus Deutschland, aber stimmt nicht. Es läuft …
Was war das erste Drehbuch, das du geschrieben hast?
Mehr Glück als Verstand, eine deutsche Hollywood-Komödie fürs Kino, so ne Fish-out-of -Water-Sache. Ein paar Leute in LA haben’s gelesen, Til Schweigers Development Girl hat gesagt, ich sollte am besten noch mal von vorne anfangen, damit hat sie auch wohl Recht gehabt. Das Ding war Schrott, eine Aneinanderreihung von Witzen …
Was war dein erstes Drehbuch, für das du bezahlt wurdest?
Heiße Ladung, ein Action Concept Backdoor-Pilot, das war… o Gott… ich glaube 1998, ist nie gedreht worden.
Was war dein erstes verfilmtes Drehbuch?
Drive Thru from Hell, ein Kurzfilm, 6 Minuten, für 6000 Dollar, eigenes Geld. War, ich glaub 1997.
Schreibst du neben konkreten Aufträgen auch Drehbücher on spec, sprich ohne vorherigen Auftrag/Bezahlung, weil du sie einfach schreiben willst/musst?
Ja. Einmal bin ich damit bis zum Greenlight bei RTL gekommen, für eine Pilotierung. Aber dann wechselte der Chef und der hat alle Entwicklungen wieder abgesagt. Das war Heartbreak, wir haben schon gecastet, UFA war an Bord.
Arbeitest du mit einem Co-Autor oder hast du schon mal mit einem Co-Autor gearbeitet? Wie stehst du dazu? Gute oder schlechte Erfahrungen?
Ich schreibe Serie gerne mit Co-Autor. Hab einige Folgen Soko Leipzig mit Manuel Meimberg geschrieben. Das hat Spaß gemacht und hat gut geklappt. versuche gerade wieder mit einem Partner bei einer anderen ZDF Krimiserie rein zu kommen. Mal sehen. Ist mehr Arbeit als eine Folge allein zu schreiben, aber dafür ist die erste Fassung in der Regel schon sehr gut. Das Geld muss man sich leider teilen …
Was war deine beste Erfahrung als Drehbuchautor?
Deutschand 83.
Was war deine beschissenste Erfahrung als Drehbuchautor?
Jeder andere Tag. Ha! Nee, hm … wenn man lange genug dabei ist, wird man irgendwann mal gefeuert. Das ist nicht schlimm, kommt vor, bei mir waren es über die Jahre so drei mal, zwei mal hab ich gekündigt. Einmal bin ich ohne Vorwarnung gefeuert worden, ich dachte, hm … warum melden die sich denn nicht? Und dann hat ein anderer Autor, den ich kannte, das Buch ohne es mir zu sagen (also hinter meinem Rücken) fertig geschrieben. Kameradenschwein. Wollte sich bei mir entschuldigen, aber Pustekuchen. Der Wichser. Produzent tat das alles ebenfalls leid, aber es “musste einfach schneller gehen”… besonders enttäuscht war ich vom Redakteur, mit dem ich schon oft zusammengearbeitet hatte. Kein Ton, dann kam der Brief vom Justiziar des ZDF: Zusammenarbeit beendet. Der wirkliche Grund war, glaub ich, dass ich den Regisseur, der extreme Profilneurose hatte, ein ganzes Meeting lang mit dem falschen Namen angeredet hab. Ha!
Wie stehst du zu Drehbuch-Ratgebern? Welche gelesen? Wenn ja, gibt es welche, die du magst und welche, die besser als Toilettenpapier taugen?
Taugen alle super als Toilettenpapier. Hab sie trotzdem alle gelesen. Bei jedem stimmt ein kleines bisschen. Man muss sich das irgendwie selbst zurecht wursteln. Meine Bibel, mein Motivationsbuch wenn es mal nicht so läuft: 101 Habits Of Highly Successful Screenwriters.
Dein Schreibplatz? Büro, Cafè, Toilette? Wo?
Ich hab ein Arbeitszimmer zuhause, aber ich schreib oft mit Laptop im Bett. Wenn ich wirklich Seiten kloppen muss, geh ich in mein Büro, ich hab da einen Schreibtisch gemietet, eiskalte Klimaanlage, kein Fenster, da will man nicht länger als nötig sein, deshalb hab ich es ja. Alle anderen da verkaufen Versicherungen oder irgendwas. Also hab ich da meine Ruhe. Ich schreibe viel mit Musik, sehr oft Phillip Glass und hab meine Noise Cancelling Headphones auf. Manchmal stell ich einen Song auf Repeat und höre ihn stundenlang. Das hat was meditatives. Ab und zu geh ich zum editieren ins Café, aber eher selten.
Wie sieht ein typischer Schreibtag bei dir aus?
Aufstehen, Kaffee. Kids abfertigen (ich hab 4), dann Facebook (leider) dann Sport (3-4 Mal die Woche, Rennrad fahren oder schwimmen) dann endlich schreiben. Ohne Pause ca. 1,5 Stunden, dann ein bisschen surfen, dann weiter. Ich schreib meist so 4 Stunden am Tag, dann bin ich leer. Aber 4 Stunden schreiben kann manchmal 8 Stunden dauern.
Eine besonders bescheuerte Anmerkung seitens Produktion/Redaktion zu einem deiner Bücher:
Oh Mann… da gibt’s schon ein paar. Einmal wollte mir ein Produzent erklären, wie man Krimis schreibt. Weiß ich schon. Er nicht. Hab gekündigt.
Gab es schon mal den Punkt, an dem du ernsthaft dachtest „Scheiß drauf, ich schmeiß die Brocken hin und mach was anderes“?
Ja. Jede Woche. Aber einmal wirklich. Hab sogar meiner Agentin abgesagt. Aber dann kam ein Produzent, den ich kannte und hat gebettelt. Und ich hab gesagt, na ok, das eine Mal noch. Und das ist auch schon wieder zwei Jahre her.
Führst du auch Regie oder hättest du Interesse Regie zu führen?
Nein. Ich hab früher Theater Regie gemacht und hatte mehrere Dokumentarfilme in den USA im TV und Doku-Reihen in Deutschland. Ich war danach Executive Producer im Reality TV, das war der beschissenste Job der Welt. Stress pur, Scheiß-Programme. Das hat mich motiviert Full-Time zu schreiben.
Hast du eine Agent*in/eine Agentur? Wenn ja, welche, und was schätzt du daran, eine zu haben? Wenn nein, warum nicht?
Ja, Monika Conti von Writers & Directors. Ich brauche das, weil ich nicht in Deutschland wohne und Monika ist sehr rührig.
Hast du schon mal einen Roman geschrieben, oder willst du einen schreiben?
Ich hab einen Roman angefangen. Aber habe nie Zeit dazu wegen Arbeit und Kindern.
Hast du einen Lieblings-Drehbuchautor? Ein Vorbild, eine Inspiration? Mehrere?
Aaron Sorkin im TV, William Goldmann im Kino.
Was ist/sind dein(e) aktuelles(n) Projekt(e)?
Eine spec Half-Hour Comedy in den USA, Soko Köln, Dogs of Berlin – die neue Netflix-Serie.
Die letzten drei Filme, die dir gefallen haben:
Ich guck meist TV. Aber was super ist: Florida Project. Ich fand den ersten Guardians of the Galaxy toll, der zweite war Scheiße, Silver Linings Playbook war super, ist aber schon ne Weile her.
Drei Serien, die du momentan gerne siehst:
Stranger Things, Superstore, Designated Survivor.
Die letzten drei Bücher, die du gelesen hast:
Murakamis Gefährliche Geliebte (zum 3. Mal), Elisabeth Kübler Ross’ On Death and Dying, morbides Sachbuch, Miss Peregrine’s Home for Peculiar Children, das war doof. Der Film war auch shit, fand ich.
Zum Schluss: Irgendwelche weisen Worte für angehende Autoren?
Ja. Das Schwierigste am Leben und Arbeiten als Drehbuchautor ist: man braucht ein dickes Fell, aber gleichzeitig muss man emotional sein und sich auf die eigenen Gefühle einlassen, sonst leidet die Schreibe. Das ist eine schwierige Gratwanderung, ich versuche immer noch das hinzubekommen. Schreib was dir gefällt, du verbringst ne Menge Zeit damit. Nimm dir die Anmerkungen von Redakteuren und Producern nicht allzu sehr zu Herzen. Klar, man muss sich das anhören und oft hilft es auch. Aber nie vergessen: die meisten von den Leuten, die dein Buch für gut oder nicht gut befinden, haben selbst noch nie ein Drehbuch geschrieben … Wenn ein Buch mal nicht so läuft, dann fertig machen und gleich das nächste. Allet Jute.
Danke für’s Mitmachen, Georg.