Interviews mit Drehbuchautoren 3: DIRK AHNER
Und hier das dritte Interview. Diesmal mit Dirk Ahner
Dirks neuen Kinofilm Simpel (Regie: Markus Goller), über zwei erwachsene Brüder, von denen einer geistig auf dem Stand eines Dreijährigen ist, kann man momentan im Kino sehen, sein nächster, Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer unter der Regie von Dennis Gansel, läuft im März 2018 an.
Vor ein paar Jahren haben Dirk und ich (und ein paar andere) an einem Serienprojekt gearbeitet, das – Trommelwirbel – nie gemacht wurde. Erkennt Ihr ein Muster?
Anyway, Dirk schreibt nicht nur Filme, sondern auch Kinderbücher (Die Laden der Träume Reihe) und hat sich zwischendurch die Zeit genommen ein paar Fragen zu beantworten.
Wie bist du zum Drehbuchschreiben gekommen? Studium? Zufall? Früh? Spät? Weil du nix Richtiges gelernt hast? Erzähl mal von deinem Werdegang.
Eine Mischung von allem. Ich war 18, hatte den Kopf voller Geschichten und wollte unbedingt auf eine Filmhochschule, um Regie zu studieren. Eine Ablehnung hat die nächste gejagt, bis ich völlig verunsichert war. In meiner Ratlosigkeit habe ich mich für ein „normales“ Studium entschieden und das getan, was ohne viel finanziellen Aufwand möglich war: Schreiben.
Was war das erste Drehbuch, das du geschrieben hast?
Das erste Langfilm-Projekt hieß Z und drehte sich um einen Serienkiller. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung mehr, worum es in der Geschichte ging.
Was war dein erstes Drehbuch, für das du bezahlt wurdest?
Das war 1997 7 Days to live, ein Horrorfilm (Regie: Sebastian Niemann)
Was war dein erstes verfilmtes Drehbuch?
Auch 7 Days to live.
Schreibst du neben konkreten Aufträgen auch Drehbücher on spec, sprich ohne vorherigen Auftrag/Bezahlung, weil du sie einfach schreiben willst/musst?
Ja, immer. Das ist mir sehr wichtig, weil es mir ermöglicht, die Flügel zu spreizen und die Geschichten zu erzählen, die mir am Herzen liegen, ganz unabhängig von allen Fragen der Realisierbarkeit. Das sind mitunter völlig verrückte Projekte. Auch wenn die wenigsten davon je das Licht der Welt erblicken, macht es großen Spaß und erinnert mich daran, wofür ich mal angetreten bin.
Arbeitest du mit einem Co-Autor oder hast du schon mal mit einem Co-Autor gearbeitet? Wie stehst du dazu? Gute oder schlechte Erfahrungen?
Ich habe schon mit einigen Co-Autoren gearbeitet und eigentlich sehr gute Erfahrungen gemacht. Viele davon sind enge Freunde von mir. Klar gibt es auch immer mal Reibungspunkte, das gehört zu kreativen Prozessen dazu. Eine ganz andere Frage ist: Was bedeutet eigentlich Co-Autor? Ab wann ist man Co-Autor? Dank der einflussreichen Writer‘s Guild ist die Frage für amerikanische Autoren geklärt. Hier in Deutschland leider nicht. Da gilt oft das Recht des Stärkeren.
Was war deine beste Erfahrung als Drehbuchautor?
Frau Ella, der 2013 in die Kinos kam. Ich durfte mit tollen Menschen an einem tollen Projekt arbeiten, das viele Themen berührt, die mich sehr beschäftigen. Und dabei hatte ich auch noch erstaunlich viele Freiheiten. Ich habe viel gelernt und neue Freunde gefunden. Eine gesegnete Zeit.
Was war deine beschissenste Erfahrung als Drehbuchautor?
Da gibt es einige. Meine frustrierendsten Erfahrungen haben mit der Entwicklung von Serien zu tun. Viel Arbeit, viel Unsicherheit, und am Ende standen immer Absagen. Zugegeben: Das ist schon eine ganze Weile her. Mit dem Siegeszug von Video-on-Demand und einer riesigen Welle von fantastischen Serien steigt inzwischen auch in Deutschland der Mut, mehr zu wagen als die millionste Krimiserie.
Wie stehst du zu Drehbuch-Ratgebern? Welche gelesen? Wenn ja, gibt es welche, die du magst und welche, die besser als Toilettenpapier taugen?
Ich habe viele Ratgeber gelesen, gute und weniger gute. Es schadet sicher nicht, sich das Handwerk anzueignen und sich ein paar Tipps und Ratschläge durchzulesen. Vorsicht ist bei Dogmen geboten (das gilt fürs Schreiben wie fürs Leben). Es gibt keine starren Regeln! Nur langweilen sollte man die Leute nicht.
Dein Schreibplatz? Büro, Cafè, Toilette? Wo?
Ein Schreibtisch in meinem Bürozimmer. Dort stehen ein paar Bücher, ein Drucker und eine Stereoanlage. Musik hilft mir, in Emotionen reinzukommen. Wenn ich an vielen Projekten gleichzeitig arbeite, wechsle ich auch mal den Ort, um den Kopf frei zu bekommen. Dann sitze ich in der Küche, in einem Café oder im Biergarten. Auch im Zug arbeite ich gern.
Wie sieht ein typischer „Schreibtag“ bei dir aus?
Halb sieben aufstehen, Frühstück machen, die Kinder in die Schule verfrachten, Kaffee kochen, Computer anschalten und loslegen. Ich achte darauf, dass der Vormittag dem Schreiben vorbehalten bleibt. Da bin ich noch frisch im Kopf und kann sehr konzentriert arbeiten. Nach vier, fünf Stunden Output geht dann meist nicht mehr viel. Wenn die Abgabetermine es gestatten, mache ich am Nachmittag andere Dinge: Mails beantworten, Besprechungen, Büroaufgaben.
Eine besonders bescheuerte Anmerkung seitens Produktion/Redaktion zu einem deiner Bücher:
„Dieser Stoff hat keine Zielgruppe.“
Gab es schon mal den Punkt, an dem du ernsthaft dachtest „Scheiß drauf, ich schmeiß die Brocken hin und mach was anderes“?
Vor etwa elf Jahren. Mein Sohn war gerade geboren, ich erstickte in Arbeit und war trotzdem vollkommen pleite. Als dann auch noch mehrere Projekte auf einmal wegplatzten und ein Hörsturz mich lahmlegte, habe ich ernsthaft angefangen, mich nach anderen Jobs umzusehen.
Führst du auch Regie oder hättest du Interesse Regie zu führen?
Ja. Ich arbeite an einem konkreten Projekt, das hoffentlich nächstes Jahr realisiert wird. Übrigens nach einem on-spec-Drehbuch.
Hast du eine Agent*in/eine Agentur? Wenn ja, welche, und was schätzt du daran, eine zu haben? Wenn nein, warum nicht?
Ich habe einen Agenten (Sascha Beck), und bin sehr froh darum. Zum einen, weil ich weder die Zeit noch das Wissen habe, mich in jedes Detail einer komplexen Vertragsverhandlung reinzuarbeiten. Zum anderen, weil ich es hasse, für mich selbst verhandeln zu müssen. Ich bin heilfroh, diesen Teil des Jobs abgeben zu können. Es ist ein herrlicher Luxus, mit meinen Partnern nur über das Inhaltliche reden zu können.
Hast du schon mal einen Roman geschrieben, oder willst du einen schreiben?
Ich habe mehrere Kinderbücher geschrieben. Das macht Spaß und ist immer wieder eine schöne Erfahrung, weil man als Buchautor eine ganz andere Wertschätzung erfährt. Andererseits ist der Markt extrem hart umkämpft und befindet sich wegen der Digitalisierung im Wandel. Da hat man es als Neuling nicht leicht.
Hast du einen Lieblings-Drehbuchautor? Ein Vorbild, eine Inspiration? Mehrere?
Andrew Birkin, der den „Name der Rose“ geschrieben hat, ein richtiger Renaissance-Mensch, der auch mal wissenschaftliche Experimente macht, wenn er für ein Filmprojekt recherchiert.
Christopher Nolan, der ein wahnsinnig intelligenter Autor und Regisseur ist, auch wenn ich seine Geschichten manchmal etwas zu kalt und unemotional finde.
James Cameron, der es perfekt versteht, Action und Emotionen zusammen zu bringen und immer wieder bahnbrechende Filme an den Start bringt. Sein Drehbuch für „Titanic“ ist bis heute wegweisend für mich, weil es so schön und visuell geschrieben ist, dass man beim Lesen den ganzen Film vor Augen hat.
Was ist/sind dein(e) aktuelles(n) Projekt(e)?
In ganz unterschiedlichen Stadien: „Jim Knopf und die Wilde 13“, „Die Pfefferkörner Teil 2“, „The Gift“, „Frei Sein“ und ein Kinderbuch.
Die letzten drei Filme, die dir gefallen haben:
Arrival (2016) – Lange keinen Science-Fiction-Film mehr gesehen, der so clever konstruiert war und mich so mitgenommen hat. Chapeau dem tollen Drehbuch!
Ghost in the Shell (2017) – Nicht so gut wie das Original, aber trotzdem ein guter Film, der zu Unrecht verrissen wurde.
Guardians of the Galaxy Vol. 2 (2017) – Ich mag einfach den Stil von Autor und Regisseur James Gunn. Der Film ist unterhaltsam, witzig, auch mal emotional, oft ein bisschen verrückt und nie langweilig – perfektes Popcorn-Kino.
Drei Serien, die du momentan gerne siehst:
Mr. Robot – Eine wahnsinnig verschwurbelte Geschichte, ich komme aber trotzdem nicht davon los.
Narcos – Toll geschrieben und wird tatsächlich mit jeder Staffel besser!
Westworld – Die Pilot-Episode finde ich schlicht und ergreifend brillant.
Außerdem sind da natürlich noch Game of Thrones, The Walking Dead, Stranger Things und und und … Himmel, wann soll ich diese ganzen Serien schauen!?
Die letzten drei Bücher, die du gelesen hast:
The Circle von Dave Eggers, Der dunkle Turm von Stephen King und Das Glasperlenspiel von Herrmann Hesse.
Zum Schluss: Irgendwelche weisen Worte für angehende Autoren?
Seid selbstbewusst! Lasst euch nicht mit lächerlichen Gagen abspeisen! Haltet zusammen! Wir brauchen eine starke Lobby! In den USA sind die Autoren längst auf Augenhöhe mit den Regisseuren und Produzenten, das sollte uns allen ein Vorbild sein.
Danke für’s Mitmachen, Dirk.