Interviews mit Drehbuchautoren 4: BENEDIKT GOLLHARDT
Interview Nummer 4. Heute mit Benedikt Gollhardt (Edel & Starck, Danni Lowinski).
Mit Bene (und Christian Zübert und Kai Uwe Hasenheit) habe ich Ende der Neunziger, als Christian und ich bei Action Concept für die Serie Der Clown geschrieben haben, jeden Mittwochabend in einer Kölner Kneipe namens Dos Equis gehockt, und gemeinsam unsere gesammelten Drehbuchanmerkungen im Alkohol ertränkt. Zuletzt haben wir Benes Geburtstag erfolgreich mit Cocktails und Kölsch begossen.
Aber lassen wir den Alkohol und wenden uns dem Schreiben zu:
Wie bist du zum Drehbuchschreiben gekommen? Studium? Zufall? Früh? Spät? Weil du nix Richtiges gelernt hast? Erzähl mal von deinem Werdegang.
Nach dem Abi arbeitete ich als freier Journalist und interessierte mich schon für Film. Als ein Freund mich fragte, ob ich nicht eine Plotidee für Cobra 11 hätte, schrieb ich was auf und war im Geschäft. Die Neunziger waren ein El Dorado für Anfänger wie mich, es wurde massenhaft produziert, die Qualität war eher mäßig, jeder durfte mal ran. Blöd nur, dass man später das Drehbuchschreiben lernen musste.
Was war das erste Drehbuch, das du geschrieben hast?
Kurz nach der Maueröffnung: Ein Road-Movie über ein Mädchen, das ausreißt und von Köln nach Rügen quer durchs vereinte Deutschland trampt. Wurde leider nie verfilmt.
Was war dein erstes Drehbuch, für das du bezahlt wurdest?
In den frühen Neunzigern bekam ich Drehbuchförderung der Filmstiftung NRW für eine Romantische Komödie. Ich arbeitete damals zusammen mit einem begabten, aber ketterauchenden Co-Autor, der nur nachts schreiben konnte. Meine frisch renovierte Wohnung roch danach nicht mehr frisch renoviert. Aus dem Film wurde nichts, aber ich lernte, dass man in einer Tankstelle alles zum Leben Notwendige kaufen kann.
Was war dein erstes verfilmtes Drehbuch?
Eine Folge für Alarm für Cobra 11, inzwischen verschollen auf einem alten Rechner. Ich hab verdrängt, worum es ging. Woran ich mich gut erinnere: Damals bekam man noch Anmerkungen per Fax, die Papierrollen waren kilometerlang.
Schreibst du neben konkreten Aufträgen auch Drehbücher on spec, sprich ohne vorherigen Auftrag/Bezahlung, weil du sie einfach schreiben willst/musst?
Ja, was raus muss, muss raus. Auch, wenn bei meinen spec-Büchern bisher nicht mehr als eine Filmförderung raussprang, es hat sich gelohnt, als Übung und um nicht zum reinen Dienstleister zu verkommen.
Arbeitest du mit einem Co-Autor oder hast du schon mal mit einem Co-Autor gearbeitet? Wie stehst du dazu? Gute oder schlechte Erfahrungen?
Bei Danni Lowinski habe ich einige Bücher mit Co-Autoren geschrieben. Es war angenehm mal aus der eigenen Höhle rauszukommen, sich auszutauschen und gemeinsam das Buch zu verteidigen. Aber am Ende arbeitet man genauso viel fürs halbe Geld.
Was war deine beste Erfahrung als Drehbuchautor?
Rutscht ein Buch mal ohne Anmerkungen eines Redakteurs durch, geht die Sonne auf. Bei mir tat sie das vielleicht 3 mal in 20 Jahren. Auch schön: Wenn die Vision des Drehbuches tatsächlich umgesetzt wird. Das passiert bei höchstens einem Viertel der Bücher.
Was war deine beschissenste Erfahrung als Drehbuchautor?
Wo nur anfangen? Am besten im Allgemeinen: Drehbuchautoren sind die wichtigsten Player im Filmgeschäft. Ein schlechter Regisseur lässt sich am Ende verkraften, ein schlechter Autor nicht. Trotzdem sind wir eine völlig unter Wert verkaufte Kaste.
Ein Beispiel: In einer Buchbesprechung wischt der schmierige Hauptdarsteller meine Arbeit vom Tisch und haucht mit großer Geste ein paar wirre Ideen in den Raum, die nicht das Geringste mit meinem Plot zu tun haben. Die Produzentin lächelt, ohne mich anzuschauen, kein Problem, dafür gäbe es ja den Autor. Sie hätte nur noch zwei mal in die Hände klatschen müssen: An die Arbeit, Lakai!
Eine bizarre Szene aus meiner Zeit als Headautor für Danni Lowinski: Die Hauptdarstellerin sitzt bei „Wetten dass“ auf dem Sofa, um die neue Staffel zu bewerben. Sie schwärmt von den tollen Büchern, meine Brust schwillt schon stolz an – bis sie sich beim Headwriter der vorherigen Staffel für die gute Arbeit bedankt. Aber Schwamm drüber, sie hat sich entschuldigt.
Wie stehst du zu Drehbuch-Ratgebern? Welche gelesen? Wenn ja, gibt es welche, die du magst und welche, die besser als Toilettenpapier taugen?
Meine Erfahrung ist, dass viele Nachwuchsautoren das Handwerk zu wenig beherrschen, obwohl es bei den heutigen Anforderungen nötiger denn je wäre. Ratgeber sind daher für den Anfang hilfreich, in Gottes Namen auch erst mal Syd Field. Ich selbst habe wenig gelesen, weil es mich in der Masse eingeschüchtert hat. Ein fundiertes Standardwerk ist „Story“ von Robert McKee. Prinzipiell sollte man aber mit der Zeit lernen, sich von den gestanzten Strukturen und Regeln der Ratgeber wieder zu lösen. Sonst entsteht keine Klasse.
Dein Schreibplatz? Büro, Cafè, Toilette? Wo?
Das Büro ist am effektivsten. Früher bin ich öfters in Cafés gegangen, aber eher aus Lustlosigkeit. Im Notfall (Urlaub) habe ich schon in Schwimmbädern, auf Spielplätzen, inmitten einer italienischen Familie und in einem Kuhstall gearbeitet. Hauptsache man kommt in den Flow.
Wie sieht ein typischer Schreibtag bei dir aus?
Leider gibt es ihn zu unregelmäßig: Am späten Morgen an den Rechner, zwei bis drei Stunden schreiben, lange Mittagspause, am Nachmittag Zeit vertrödeln und am Abend noch mal richtig aufdrehen – man riecht ja den Feierabend…
Wenn richtig Termindruck da ist, klappt es plötzlich jederzeit. Dann ist es immer wieder ein Wunder, wie viel man in kurzer Zeit schaffen kann. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich trotz geringer Netto-Schreibzeit meine Stoffe fast nonstop im Kopf mit mir herumtrage.
Eine besonders bescheuerte Anmerkung seitens Produktion/Redaktion zu einem deiner Bücher:
Damit könnte man Bücher füllen: „Da fehlt noch Fleisch“ „Geht das irgendwie anders, ich weiß aber nicht wie.“, halt gefühliges Zeug. Besonders dämlich ist es, wenn Produzenten gleich zum Einstieg einer Besprechung fragen: „Wie gefällt es dir denn?“ Na, wie schon? Ich hab’s geschrieben. Sag mir doch gleich, dass du es hasst!
Gab es schon mal den Punkt, an dem du ernsthaft dachtest „Scheiß drauf, ich schmeiß die Brocken hin und mach was anderes“?
Immer mal wieder. Aber ich habe Freunde, die als Selbstständige und Dienstleister in anderen Branchen arbeiten und alle dasselbe erzählen: Kunden nerven, überall!
Führst du auch Regie oder hättest du Interesse Regie zu führen?
Ich habe zwei AIDS-Spots und einige Kurzfilme gemacht und dachte eine Zeit lang, daraus könnte mehr werden. Inzwischen habe ich meine Ambitionen beerdigt. Für den Wahnsinn am Set muss man entweder ein Mönch oder ein Besessener sein. Spannender finde ich den Job als Showrunner, der sich eines Tages hoffentlich auch in Deutschland etablieren wird (die Dänen machen uns das schon seit Jahren vor und ihr Serienerfolg gibt ihnen Recht)
Hast du eine Agent*in/eine Agentur? Wenn ja, welche, und was schätzt du daran, eine zu haben? Wenn nein, warum nicht?
Für die Vertragsverhandlungen habe ich einen Medienanwalt. Das ist äußerst wichtig, denn der Kumpelton in der Filmbranche täuscht darüber hinweg, dass viele Produzenten (oder deren Angestellte) einen mit einem freundlichen Lächeln über den Tisch ziehen. Gute Agenten können bei der Aquise helfen und einem den Rücken freihalten, schlechte Agenten überschütten ihre Autoren mit schlechten Angeboten und melken sie damit aus.
Hast du schon mal einen Roman geschrieben, oder willst du einen schreiben?
Ich schreibe zur Zeit einen Roman und genieße die Freiheit, nicht alles in Handlungen und Dialogen erzählen zu müssen und nicht an Sendeplätze, Bedenkenträger und Quoten zu denken. Es dauert allerdings eine Weile, bis man dieser Freiheit vertraut, wie ein Vogel, der nicht aus dem offenen Käfig herausfliegen will. Genauso wichtig war mir, dass die Literaturbranche sehr viel respektvoller mit ihren Autoren umgeht (obwohl auch dort deutlich mehr als früher in den Text eingegriffen wird).
Hast du einen Lieblings-Drehbuchautor? Ein Vorbild, eine Inspiration? Mehrere?
Es lohnt sich immer, was bei guten Autoren abzuschauen. Von Marc Terjung habe ich gelernt, beim Schreiben unkonventionell zu denken, von Bora Dagtekin, Humor an seine Grenzen zu treiben. Danke dafür.
Was ist/sind dein(e) aktuelles(n) Projekt(e)?
Der Roman, sonst nichts, da ich prinzipiell versuche, nur ein Projekt gleichzeitig zu machen.
Die letzten drei Filme, die dir gefallen haben:
Ich gehe zu selten ins Kino. Blade Runner 2049, Valerian, Die Überglücklichen
Drei Serien, die du momentan gerne siehst:
Berlin Babylon, Stranger Things (nur 1. Staffel!) und das mieseste Crack unter den Serien: GoT
Die letzten drei Bücher, die du gelesen hast:
Joel Dicker: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert / Austin Wright: Tony & Susan (Vorlage zum Film Nocturnal Animals, den ich nach der Lektüre nicht mehr sehen wollte) Ansonsten verschiedene Sachbücher für Recherchen.
Zum Schluss: Irgendwelche weisen Worte für angehende Autoren?
Die Zeiten waren mal sehr viel leichter für Autoren. Aber hey, irgendeiner muss das Zeug schreiben! Lern dein Handwerk, lern Gras zu fressen und bleib originell, denn es gibt immer noch zu wenig gute Autoren!
Danke für’s Mitmachen, Bene.