Interviews mit Drehbuchautoren 6: KLAUS ROHNE

Veröffentlicht 11. Dezember 2017 in Drehbuch, Interview, Schreiben

Interview Nummer 6: Heute KLAUS ROHNE. Das erste und bislang letzte Mal habe ich Klaus auf einer Berghütte im Zillertal gesehen, wo unsere damalige gemeinsame Agentin eine grandiose Party für ihre Klienten geschmissen hat. Wenn er nicht selbst gerade auf irgendwelchen Bergen rumwandert, ist Klaus ein vielbeschäftigter Serienautor (Hauptstadtrevier, Betty Diagnose und noch so viel mehr).

Wie bist du zum Drehbuchschreiben gekommen? Studium? Zufall? Früh? Spät? Weil du nix Richtiges gelernt hast? Erzähl mal von deinem Werdegang.

Das ist ein bisschen filmreif. Ich habe ursprünglich BWL studiert und in verschiedenen Krawattenträger-Jobs gearbeitet, bis ich davon irgendwann die Schnauze voll hatte und ins Blaue hinein gekündigt habe. Ich wusste nicht, was ich machen wollte, nur, was ich nicht mehr wollte. Am Stammtisch in meiner Kneipe saß damals ein Typ, der immer Drehbücher gelesen hat (und Headwriter für eine neue Serie war). Ich fand das interessant, hab meinen Senf dazugegeben und irgendwann meinte der, ich soll doch mal was schreiben. Ohne die geringste Ahnung hab ich dann meine erste Szene geschrieben – die drehten gerade eine Sitcom für Pro7: Die Viersteins. Eine Woche später wollte mich der Produzent kennenlernen…..

Was war das erste Drehbuch, das du geschrieben hast?

Eine Episode für eben diese Sitcom. Ich hab sie schön dramatisch „Raven“ genannt. Daraus wurde dann „Kurti“.

Was war dein erstes Drehbuch, für das du bezahlt wurdest?

Genau das.

Was war dein erstes verfilmtes Drehbuch?

Und es wurde auch verfilmt und ausgestrahlt. Anfängerglück oder so.

Schreibst du neben konkreten Aufträgen auch Drehbücher on spec, sprich ohne vorherigen Auftrag/Bezahlung, weil du sie einfach schreiben willst/musst?

Früher schon, mittlerweile fehlt mir die Zeit, ein ganzes Buch zu schreiben. Aber Serien- oder Filmideen entwickele ich schon immer wieder für mich selbst und für die Schublade.

Arbeitest du mit einem Co-Autor oder hast du schon mal mit einem Co-Autor gearbeitet? Wie stehst du dazu? Gute oder schlechte Erfahrungen?

Sowohl als auch. In klassischen Serienprojekten wird ja auch bei uns immer mehr im writers room gemeinsam entwickelt, bis dann irgendwann jeder einzeln das Buch schreibt. Das ist in der Regel sehr produktiv und angenehm, kann aber auch mal nervig sein, wenn zu viele Leute mitreden. Ich habe aber auch schon eine ganze Serie über mehrere Staffeln zusammen mit einem Co-Autor geschrieben. Das war super.

Was war deine beste Erfahrung als Drehbuchautor?

Genau dieses Projekt mit dem Co-Autor. Eine Sitcom fürs Schweizer Fernsehen. Mannezimmer. Das haben wir über etliche Staffeln zu zweit gewuppt, in den letzten beiden war ich dann auch als eine Art Showrunner/Producer mit an Bord. Großartige Zusammenarbeit auf allen Ebenen, sowohl Produktion, Redaktion, Regie als auch Schauspieler, sehr kompetent und respektvoll im Umgang. Hab ich so in Deutschland kaum erlebt.

Was war deine beschissenste Erfahrung als Drehbuchautor?

Eine namhafte Produktionsfirma entwickelte mit mir eine meiner Ideen für RTL. Ging bis zum Pilotbuch, dann hat der Sender das Projekt gekippt. Obwohl in den Verträgen wie üblich keine Abhängigkeit der Raten von einem Produktionsauftrag festgeschrieben war, hat man sämtliche fälligen Zahlungen verweigert mit dem Hinweis, man hätte schließlich den Auftrag nicht bekommen. So nach dem Motto: „Verklag uns doch!“

Wie stehst du zu Drehbuch-Ratgebern? Welche gelesen? Wenn ja, gibt es welche, die du magst und welche, die besser als Toilettenpapier taugen?

Da ich Seiteneinsteiger bin, hab ich natürlich viele Bücher verschlungen. Im Grunde sagen ja alle irgendwie dasselbe, und die, die nur Syd Field umformulieren, kann man getrost vergessen. Einen richtigen Mehrwert bekommt man meiner Meinung nach bei Christopher Voglers Odyssee des Drehbuchschreibers (ist nicht zu Unrecht ein Klassiker) oder John Vorhaus‘ Comic Toolbox.

Dein Schreibplatz? Büro, Cafè, Toilette? Wo?

Zum in die Tasten hauen ganz brav im heimischen Arbeitszimmer, da brauche ich Ruhe und Konzentration. Zum Ideenentwickeln raus: Café, Fitnessstudio, See…

Wie sieht ein typischer Schreibtag bei dir aus?

Ich bin, ganz untypisch in unserer Branche, Frühaufsteher. Am kreativsten bin ich am Vormittag, also versuche ich da so viel wie möglich zu schreiben. Ab Mittag geht es steil bergab, das ist dann die Zeit für Sport, Einkäufe etc.. Wenn deadlines anstehen, nutze ich das zweite Hoch, das dann am Abend irgendwann nochmal kommt, mit open end.

Eine besonders bescheuerte Anmerkung seitens Produktion/Redaktion zu einem deiner Bücher:

Die ganzen Klassiker. Von „da ist schon viel Schönes dabei“ bis zu „das versteht der Zuschauer nicht“. Früher, als man noch Anmerkungen in gedruckte Bücher geschrieben hat, fand ich die selbsterfundenen kryptischen Kürzel immer sehr schön, die sowas wie einen persönlichen Stil darstellen sollten. „nk“ (nicht komisch) oder „wsd“ (was soll das) und dergleichen.

Gab es schon mal den Punkt, an dem du ernsthaft dachtest „Scheiß drauf, ich schmeiß die Brocken hin und mach was anderes“?

So drei-, viermal am Tag. Ist aber trotz allem Ärger immer noch der beste Job.

Führst du auch Regie oder hättest du Interesse Regie zu führen?

Nein. Ich hab damals die Management-Jobs aufgegeben, weil ich nicht Dutzende Individualisten bändigen und in eine Richtung lenken wollte und konnte. Das können andere besser.

Hast du eine Agent*in/eine Agentur? Wenn ja, welche, und was schätzt du daran, eine zu haben? Wenn nein, warum nicht?

Ich war lange solo unterwegs. Von einem Agenten brauchte ich weniger die Vertragsabwicklung (das hab ich ja selbst gelernt) als die Akquisition, und das machten nach Aussage meiner Kollegen die wenigsten Agenturen wirklich. Dann traf ich meine jetzige Agentin, Monika Conti von Writers & Directors, und die tut genau das. Mit großer Leidenschaft und Hartnäckigkeit bearbeitet sie Produktionen und Sender, um Türen zu öffnen, durch die man nur mit networking alleine nicht kommt.

Hast du schon mal einen Roman geschrieben, oder willst du einen schreiben?

In der Schublade liegen etliche Fragmente. Bisher fehlt mir dazu die Zeit und die Disziplin. Aber wer weiß…

Hast du einen Lieblings-Drehbuchautor? Ein Vorbild, eine Inspiration? Mehrere?

Ich hab schon immer die Vielseitigkeit von Leuten wie Alex Kurtzman (Fringe, „Star Trek Discovery) und Roberto Orci (Sleepy Hollow, Spiderman 2) bewundert, in England Steven Moffat (Doctor Who, Sherlock) oder Jeppe Gjervig Gram aus Dänemark (Borgen).

Was ist/sind dein(e) aktuelles(n) Projekt(e)?

Bis Anfang des Jahres war ich über mehrere Staffeln bei der ZDF-Serie Bettys Diagnose dabei. Aktuell schreibe ich einen Degeto-Film mit dem AT Benno und bin an der Entwicklung einer neuen ZDF-Familienserie beteiligt.

Die letzten drei Filme, die dir gefallen haben:

Atomic Blonde; Logan; Baby Driver

Drei Serien, die du momentan gerne siehst:

Stranger Things, The Good Place und Star Trek Discovery

Die letzten drei Bücher, die du gelesen hast:

Homo Deus von Yuval Harari (ein sehr spannendes Sachbuch mit Spekulationen über die weitere Menschheitsentwicklung); Mustererkennung von William Gibson (der sich hier nach dem Cyberspace das virale Marketing vornimmt); Das Café der Existenzialisten von Sarah Bakewell (ein unterhaltsames Sachbuch über einen Zweig der Philosophie, von dem ich bisher sehr wenig wusste)

Zum Schluss: Irgendwelche weisen Worte für angehende Autoren?

Ein dickes Fell zulegen! Lernen, Kompromisse zu machen, auch wenn es weh tut. Und immer wieder ganz ehrlich die Frage beantworten: Will ich mit meiner Kunst die Welt verändern? Oder will ich mit solidem Handwerk Geld verdienen? Und was bin ich bereit, dafür zu opfern?

Danke für’s Mitmachen, Klaus.