Interviews mit Drehbuchautoren 7: ALEXANDER LINDH
Interview Nummer Sieben. Heute mit Alexander Lindh (Armans Geheimnis).
Wir sind uns (noch) nicht persönlich über den Weg gelaufen, sondern auf Twitter begegnet, und Alexander hat netterweise sofort zugesagt bei den Interviews mitzumachen.
Also ohne weiteres Gefasel zu Alexanders Antworten:
Wie bist du zum Drehbuchschreiben gekommen? Studium? Zufall? Früh? Spät? Weil du nix Richtiges gelernt hast? Erzähl mal von deinem Werdegang.
Ich wusste schon als Teenager, dass ich gerne „irgendwas mit Schreiben“ machen wollte. Ich habe dann nach dem Abi vom Institut für Kreatives Schreiben an der Uni Hildesheim erfahren und dort drei Jahre studiert. In der Zeit begann so langsam der Serienhype und ich hatte ein paar aufmerksame Dozentinnen und Dozenten, die sich früh mit dem seriellen Erzählen beschäftigt haben, und dazu Seminare angeboten haben.
Einer davon war Joachim Friedmann, ein Autor, der neben seiner Lehrtätigkeit unter anderem für Gute Zeiten Schlechte Zeiten arbeitete und uns erzählte, dass man in Deutschland in der Soap nicht wirklich anders arbeitet, als bei den Sopranos. Ich habe Joachim gefragt, ob ich im Story-Team von GZSZ mal ein Praktikum machen könnte. Aus dem Praktikum wurden zwei Jahre als Storyliner, Editor und Dialog-Autor. Irgendwann reichte es mir und ich bewarb mich für das Serial-Eyes-Programm an der DFFB, ein Zusatzstudium für junge Serienautoren und Autorinnen. Seit dem arbeite ich als freier Drehbuchautor.
Was war das erste Drehbuch, das du geschrieben hast?
In der Uni habe ich für ein Seminar einen Kurzfilm über einen Mann geschrieben, der nach seinem Tod wieder in der Gebärmutter seiner Mutter aufwacht.
Was war dein erstes Drehbuch, für das du bezahlt wurdest?
Ein Treatment für GZSZ.
Was war dein erstes verfilmtes Drehbuch?
Siehe oben.
Schreibst du neben konkreten Aufträgen auch Drehbücher on spec, sprich ohne vorherigen Auftrag/Bezahlung, weil du sie einfach schreiben willst/musst?
Drehbücher nicht wirklich. Ich schreibe hier und da Konzepte für eigene Stoffe. Ich habe eigentlich nur ein Spec. Schreiben ohne Deadlines ist für mich beinah ein Ding der Unmöglichkeit. Ich teile die Meinung von Dorothy Parker: „I hate writing, I love having written“.
Arbeitest du mit einem Co-Autor oder hast du schon mal mit einem Co-Autor gearbeitet? Wie stehst du dazu? Gute oder schlechte Erfahrungen?
Ich schreibe sehr gerne mit anderen Menschen zusammen und habe fast ausschließlich in irgendeiner Art von „Writers’ Room“ gearbeitet. Ich bin viel besser, wenn ich jemanden habe mit dem ich Gedanken-Ping-Pong spielen kann. Mittlerweile merke ich, dass es auch Spaß machen kann, einsamer Herrscher über den Text zu sein.
Was war deine beste Erfahrung als Drehbuchautor?
Ein bestimmter Moment fällt mir nicht ein. Allgemein: Ich glaube, das Schönste an meinem Beruf ist, dass ich ausschlafen kann und den ganzen Tag im Café rumhängen darf.
Was war deine beschissenste Erfahrung als Drehbuchautor?
Am Ende des Serial-Eyes-Programms habe ich ein Serienkonzept gepitched und sehr viel positives Feedback bekommen. Ich wurde übermütig und habe einigen Produzenten den Piloten geschickt obwohl er noch lange nicht rund war. Eine Producerin hat mich ein paar Tage später angerufen und mir gesagt, dass ich mir das mit dem Schreiben nochmal überlegen sollte. Das tat weh. Es hat lange gedauert bis ich die Selbstzweifel überwunden habe.
Happy End: Habe das Script überarbeitet, es wieder rausgeschickt und damit Agentur und diverse Jobs bekommen. Also, falls du das liest, liebe Producerin: Ich hasse dich trotzdem.
Wie stehst du zu Drehbuch-Ratgebern? Welche gelesen? Wenn ja, gibt es welche, die du magst und welche, die besser als Toilettenpapier taugen?
Am Anfang alle gekauft. Reingelesen. Dann stolz im Regal platziert. Ich glaube es schwirren tausend tolle Regeln aus Büchern in meinem Unterbewusstsein und ich bilde mir nur ein, alles nach Gefühl zu machen.
Dein Schreibplatz? Büro, Cafè, Toilette? Wo?
Unterschiedlich. Manchmal an einem Tag: Café, Büro, Restaurant, Sofa, Bett.
Wie sieht ein typischer Schreibtag bei dir aus?
8 Uhr in der Dusche: Ich hatte doch gestern Abend noch eine geile Idee. Was war das noch? Egal, heute wird ein toller Tag, ich werde 8 Stunden durchschreiben. 8:30 Uhr: Kind zur Kita. 9 Uhr: in ein hippes Café (ich fühle mich unwohl, wenn ich der einzige mit Laptop bin). 9:30 Uhr: Internet leer lesen. 11 Uhr: Panik, noch nichts gemacht. 11:30: Zufrieden, 30 Minuten geschrieben. 11:31 Uhr: Wow, im Internet stehen ja schon wieder neue Dinge. 12:30 Uhr: Fuck! Jetzt hau ich richtig rein. Magen knurrt. Nach dem Essen hau ich richtig rein! 13 Uhr: Mittag. 13:30 Uhr: 2 Stunden motiviertes Schreiben. 14:30 Uhr: Bin voll im Flow. Muss aber das Kind wieder abholen. Freundin arbeitet heute lange. 15 Uhr: Spielplatz & Co. 20 Uhr: Kind schläft. Vorm Fernseher E-Mails lesen. Regie: Alex, Du wolltest mir doch noch eine Casting-Szene schreiben. 20:10 Uhr: Casting-Szene schreiben. 21 Uhr: Netflix. 23 Uhr: Im Bett. Plötzlich die beste Idee ever.
Eine besonders bescheuerte Anmerkung seitens Produktion/Redaktion zu einem deiner Bücher:
Leider viele lustige bzw. schreckliche Anmerkungen verdrängt. Rassismus und Sexismus in Redaktions-Sitzungen bringen mich richtig auf die Palme. Eine Producerin konnte sich partout nicht vorstellen, dass ein schüchterner Junge, der gemobbt wird, nicht nur Emil, sondern auch Erhan heißen kann.
Gab es schon mal den Punkt, an dem du ernsthaft dachtest „Scheiß drauf, ich schmeiß die Brocken hin und mach was anderes“?
Ja, siehe Antwort 8.
Führst du auch Regie oder hättest du Interesse Regie zu führen?
Ich führe nicht Regie. Ich würde es gerne mal tun, ja.
Hast du eine Agent*in/eine Agentur? Wenn ja, welche, und was schätzt du daran, eine zu haben? Wenn nein, warum nicht?
Ja, ich habe ein ganz tolle Agentin, ohne die ich völlig aufgeschmissen wäre: Katrin Brown von der Agentur Homebase. Ich finde gute Agenturen großartig und würde jedem Anfänger empfehlen, zu versuchen, in eine Agentur zu kommen. Für mich war die Agentur ein riesen Türöffner.
Hast du schon mal einen Roman geschrieben, oder willst du einen schreiben?
Nein, und ich glaube auch nicht, dass ich das kann. Vielleicht mal mit jemandem zusammen.
Hast du einen Lieblings-Drehbuchautor? Ein Vorbild, eine Inspiration? Mehrere?
Vor zwei Wochen hätte ich noch Louis CK gesagt… Aber den streich ich mal wieder aus der Vorbild-Liste. Ansonsten: Aziz Ansari, Damon Lindelof, Jill Solloway, Dan Harmon… Die Liste ist lang. Aus Deutschland mag ich Maren Ade.
Was ist/sind dein(e) aktuelles(n) Projekt(e)?
Ich schreibe an einer Serienadaption, die Anfang nächsten Jahres gedreht wird. Und an ein paar Serien-Konzepten – teilweise Auftrag, teilweise eigene Stoffe.
Die letzten drei Filme, die dir gefallen haben:
Blind und Hässlich, Die Lady Gaga Doku Five Foot Two, Toni Erdmann
Drei Serien, die du momentan gerne siehst:
Rick & Morty, Broad City, Please Like Me
Die letzten drei Bücher, die du gelesen hast:
1,2,3,4 von Paul Auster, Ellbogen von Fatma Aydemir, Löwen Wecken von Ayelet Gundar-Goshen. Alle drei im Juni im Urlaub. Alle drei zum Glück sehr gut. Im Alltag lese ich keine Bücher.
Zum Schluss: Irgendwelche weisen Worte für angehende Autoren?
Ich traue einer Autorin mehr zu, die 200 Folgen Berlin Tag & Nacht geschrieben hat, als einem Autor, der in fünf Jahren Filmhochschule einen mittelmäßigen Arthouse-Film geschrieben hat, der nie verfilmt wurde.
Wenn du fleißig, pünktlich, ordentlich und freundlich bist, stichst du einige Konkurrenten mit mehr Talent aus.
Es kann sein, dass du von fünf verschiedenen Menschen Feedback bekommst, das sich völlig widerspricht, und trotzdem haben alle recht. Ich glaube, die eigene Stimme entsteht, wenn man Dinge macht, die ein bisschen falsch sind.
Trotzdem: Der Grat zwischen „selbstbewusst deinen Stoff verteidigen“ und „die Einschläge nicht hören“ ist schmal.
Danke für’s Mitmachen, Alex.