Interviews mit Drehbuchautoren 8: DAVID UNGUREIT
Frohes Neues!
In diesem Sinne: Neues Interview – heute: David Ungureit (Die Anrheiner, Danni Lowinski).
Als ich David das letzte Mal gesehen habe, hatte ich hinterher einen Kater, aber das will ich ihm mal nicht ankreiden. Es war die Schuld von Bene Gollhardt (Interview Nummer 4), denn der hatte Geburtstag.
Wie bist du zum Drehbuchschreiben gekommen? Studium? Zufall? Früh? Spät? Weil du nix Richtiges gelernt hast? Erzähl mal von deinem Werdegang.
Eigentlich wollte ich Musiker werden, hatte eine Band und habe, eher so nebenbei, studiert. Leider wurde meine Liebe zur Musik von der Musik nicht im gleichen Maße erwidert, und mein Studium führte auch nicht ins Berufsleben. Irgendwann zeigte mir ein Freund ein Drehbuch einer deutschen Krimiserie, für die er als Schauspieler engagiert war. In unserer jugendlichen Arroganz sagten wir: „Wie grottig. Das können wir besser“ und beschlossen, DEN Film zu schreiben, den wir selber gerne im Kino sehen wollten. Es wurde ein wüstes Drehbuch zu einem unbezahlbaren Science-Fiction-Film, der folgerichtig nie gemacht wurde. Allerdings konnten wir einige Aufmerksamkeit erregen, denn solche Drehbücher wurden (und werden) wohl eher selten als Visitenkarten von Neulingen vorgelegt. Eine Art unfreiwilliger „USP“, der zu ersten Aufträgen führte. Der Anfang war gemacht.
Was war das erste Drehbuch, das du geschrieben hast?
Weil das oben genannte Science-Fiction-Buch so lange dauerte, wurde es überholt von einem Kurzfilmdrehbuch, das unter dem Titel Willkommen im Team tatsächlich auch verfilmt wurde.
Was war dein erstes Drehbuch, für das du bezahlt wurdest?
In den ersten beiden Jahren wurde ich (abgesehen von einer Drehbuchförderung) ausschließlich für Exposés und Konzepte bezahlt. Als ich mich daran fast schon gewöhnt hatte, sollte ein Konzept, an dem ich mitgeschrieben hatte, dann realisiert werden: Die WDR-Serie Die Anrheiner, für die ich dann über 40 Folgen schrieb. Folge 1 war wohl mein erstes Buch, für das ich Kohle bekam.
Was war dein erstes verfilmtes Drehbuch?
Siehe oben: Willkommen im Team.
Schreibst du neben konkreten Aufträgen auch Drehbücher on spec, sprich ohne vorherigen Auftrag/Bezahlung, weil du sie einfach schreiben willst/musst?
Fast gar nicht mehr. Ich habe aber ab und zu Ideen für Reihen oder Serien, die ich dann Redakteuren oder Produzenten vorschlage. Manchmal wird was draus, manchmal nicht. Nicht zuletzt wegen der neuen Player auf dem Markt (Netflix und Co) sollten wir Autoren uns aber wieder besinnen auf das, was wir selbst erzählen wollen, anstatt darauf zu warten, was irgendwer vielleicht beauftragt. (Note to self: Mal wieder on spec schreiben! Los!)
Arbeitest du mit einem Co-Autor oder hast du schon mal mit einem Co-Autor gearbeitet? Wie stehst du dazu? Gute oder schlechte Erfahrungen?
Ich habe sehr gute Erfahrungen mit Co-Autoren und –Autorinnen gemacht. Ideal ist es, wenn man dadurch wirklich Zeit spart und sich gegenseitig ergänzt oder inspiriert. Da ich in den ersten zehn Jahren als Autor fast ausschließlich Serien geschrieben habe, war es für mich normal, auch das Schreiben als Teamwork zu sehen. Ich sitze allerdings nie mit dem/der Co zusammen an einem Tisch zum Schreiben. Es ist eher wie Pingpong: Einer schreibt was, schickt es dem Partner, der es verändert, etc. Auch das gemeinsame Schreiben mit dem Regisseur hat viele Vorteile, wenn man sich gegenseitig respektiert. Es kann bei Drehbuchbesprechungen sehr hilfreich sein, den Regisseur als Co-Autoren zu haben. Als Headwriter einer Serie stelle ich gerne ein kleines Team zusammen, das aus Autoren/Autorinnen besteht, die zusammen passen und Spaß haben bei der Arbeit.
Was war deine beste Erfahrung als Drehbuchautor?
Danni Lowinski war ein Traum, denn ich hatte mit Marc Terjung und Benedict Gollhardt zwei der besten und nettesten Kollegen, die man sich nur wünschen kann. Auch die Filme, die ich zusammen mit Uwe Janson (mal als Co-Autor, mal nur als Regisseur) gemacht habe, waren ein Geschenk. Und die Kinderserie Rennschwein Rudi Rüssel hat wahnsinnig viel Spaß gemacht.
Was war deine beschissenste Erfahrung als Drehbuchautor?
In den Anfangszeiten kam es immer wieder vor, dass ich Serienfolgen sah, die zwar nach Büchern von mir entstanden waren, die damit aber nur noch wenig zu tun hatten. Dort kamen dann zum Teil Dialoge vor, die ich nie geschrieben hatte und für die ich vor Scham am liebsten in der Sofaritze versunken wäre. Sowas passiert, wenn man dem Buch und dessen Schöpfer keinen Respekt entgegenbringt oder eine Atmosphäre schafft, in denen Schauspieler und/oder Regisseure sich ermutigt fühlen, in den Büchern herumzufuhrwerken.
Eine andere beschissene Erfahrungen war eine Drehbuchbesprechung zu einem Tatort. Der Hautdarsteller hatte im Vorfeld des Termins als einziger einer größeren Runde Kritik an meinem Buch geäußert und Gesprächbedarf angemeldet. Nun saß man beisammen, und der Herr Kommissar war zwei Stunden lang nicht in der Lage, zwei zusammenhängende Sätze zu formulieren. So blieb völlig offen, was ihm denn an dem Buch nicht gefiel, aber ich wurde zurück an den Schreibtisch geschickt, um Änderungen vorzunehmen. Welcher Art auch immer. Hauptsache anders. Ich habe mich geweigert und von dem Projekt verabschiedet. Später stellte sich heraus, dass der gute Mann seine ganzen Schauspielkollegen für zu schlecht befand, weshalb ihre festen Rollen kleingeschrieben oder gestrichen werden sollten. Nachdem er zwei Tatorte später dann wirklich alle weggebissen hatte, nahm er selbst seinen Hut.
Wie stehst du zu Drehbuch-Ratgebern? Welche gelesen? Wenn ja, gibt es welche, die du magst und welche, die besser als Toilettenpapier taugen?
Ach, diese ganzen Bibeln… Man kann sowas mal lesen, aber sollte sich nicht zu viel davon versprechen. Es steht ohnehin in allen mehr oder weniger dasselbe drin, nur anders formuliert. Für die Form und das dramaturgische Basiswissen ist es okay, aber danach sollte man keine Zeit verlieren und selber schreiben, statt noch einen Ratgeber zu lesen. Hilfreich sind John Vorhaus – The Comic Toolbox (für Sitcoms) und der Klassiker Syd Field – Das Drehbuch.
Dein Schreibplatz? Büro, Cafè, Toilette? Wo?
Büro. Außerhalb des Wohnhauses. Am anderen Ende der Stadt. Ich gehe zur Arbeit. Dann weiß meine Familie auch, wann ich Feierabend habe. Cafés, Züge, etc. habe ich ausprobiert, aber es klappt dort meistens nicht.
Wie sieht ein typischer Schreibtag bei dir aus?
Computer an, sofort FinalDraft öffnen, dann erstmal SpiegelOnline, Frankfurter Rundschau, DWDL, Quotenmeter, FAZ, Kicker und TAZ besuchen. Ein paar Mails schreiben. Telefonieren. FinalDraft schließen. Nach Hause fahren.
Eine besonders bescheuerte Anmerkung seitens Produktion/Redaktion zu einem deiner Bücher:
In einer Geschichte kam mal ein hoher Börsengewinn vor, der eine Figur zu einem reichen Mann macht. Ich wurde bei der Besprechung gefragt, ob es denn recherchiert sei, dass die genannte Aktie zum genannten Zeitpunkt wirklich diesen Sprung mache. Alle am Tisch lachten – bis auf die Person, die die Frage ganz ernst gemeint hatte.
Ebenfall in der Top Ten ist der Satz eines Produzenten: „Es soll lustig sein, aber nicht zum Lachen.“
Gab es schon mal den Punkt, an dem du ernsthaft dachtest „Scheiß drauf, ich schmeiß die Brocken hin und was mach anderes“?
Ach, das ist doch meistens auch ein wenig Kokettieren. Ich glaube zwar nach wie vor, dass es eine Spitzenidee wäre, auf der Schweizer Straße in Frankfurt ein Fischgeschäft mit Mittagstisch aufzumachen, aber dann würde man auch ganz schön nach Fisch riechen. Irgendwas ist halt immer. Und – man darf das als Autor ja gar nicht so laut sagen, aber: Ich liebe meinen Beruf. Trotz allem.
Führst du auch Regie oder hättest du Interesse Regie zu führen?
Nein und nein.
Hast du eine Agent*in/eine Agentur? Wenn ja, welche, und was schätzt du daran, eine zu haben? Wenn nein, warum nicht?
Ich bin seit ca. 15 Jahren beim Verlag der Autoren und fühle mich dort mehr als wohl. Meine Agentin, Annika Hohl, ist die beste Agentin der Welt, der Verlag gehört den Autoren, ich muss mich nicht mit unbezahlten Rechungen, fehlenden Pensionskassen-Anteilen, VG-Wort-Einreichungen, Mahnungen, etc rumschlagen. Wenn Anfragen von Produzenten, die ich nicht kenne, kommen, kann ich meine Agentin (sie ist übrigens die beste der Welt) fragen, ob es sich um seriöse Leute handelt oder nicht. Und einmal im Jahr machen wir alle zusammen ein tolles Fest. Außerdem finde ich es toll „meine Agentin“ zu sagen.
Hast du schon mal einen Roman geschrieben, oder willst du einen schreiben?
Habe ich nicht, werde ich aber vielleicht irgendwann mal machen, wenn ich Zeit habe (hahaha!). Andererseits lebe ich in der Stadt der größten Buchmesse, und wenn ich dort jedes Jahr durch die Hallen wandere, frage ich mich schon, ob die Welt wirklich nocht ein weiteres Buch braucht.
Hast du einen Lieblings-Drehbuchautor? Ein Vorbild, eine Inspiration? Mehrere?
Wilder, I.A.L. Diamond, Lubitsch, Marta Kaufmann, Richard Curtis, Nora Ephron, John Lasseter, etc… In Deutschland inspiriert mich Marc Terjung, dessen Drehbücher ich immer wieder mit größter Freude lese.
Was ist/sind dein(e) aktuelles(n) Projekt(e)?
Eine Serie über einen Schöffen namens Volker, die Im Namen des Volkers heißt und ein Film für den Hessischen Rundfunk über das Finden und Verlieren der Liebe … und dies und das.
Die letzten drei Filme, die dir gefallen haben:
Die Reste meines Lebens, Einsamkeit und Sex und Mitleid und Ich war eine glückliche Frau.
Drei Serien, die du momentan gerne siehst:
Grace & Frankie, Stranger Things, The Walking Dead
Die letzten drei Bücher, die du gelesen hast:
Unterleuten von Juli Zeh, Die Weiden von Algernon Blackwood, Was ich sonst noch verpasst hab von Lucia Berlin. Alle drei kann ich empfehlen.
Zum Schluss: Irgendwelche weisen Worte für angehende Autoren?
Mach dich, wenn irgend möglich, nie so abhängig von einem einzelnen Projekt, dass du nicht jederzeit aufstehen und gehen könntest.
Danke für’s Mitmachen, David.