Interviews mit Drehbuchautoren 11: LORENZ STASSEN
Neues Interview. Heute mit Lorenz Stassen.
Vor zwanzig Jahren, ich hatte gerade als „bezahlter“ Drehbuchschreiber angefangen, da klingelte eines Abends das Telefon und am anderen Ende war Lorenz, der meine Nummer von meiner damaligen Agentin hatte. Lorenz hatte ein Drehbuch geschrieben (ich glaube, es war das im Interview erwähnte Krautboys) und wollte einfach mal mit einem anderen Anfänger über das Drehbuchschreiben quatschen.
Zwanzig Jahre später telefonieren wir immer noch, jetzt darüber wieviel Spaß uns das Schreiben von Romanen macht. Lorenz‘ Erstling, ein Thriller namens Angstmörder, ist kürzlich bei Heyne erschienen.
Aber hier und heute reden wir wieder übers Drehbuchschreiben:
Wie bist du zum Drehbuchschreiben gekommen? Studium? Zufall? Früh? Spät? Weil du nix Richtiges gelernt hast? Erzähl mal von deinem Werdegang.
Ich habe nach dem Realschulabschluss zuerst was Richtiges gelernt: Chemielaborant bei Bayer. Aber ich wollte nicht mein ganzes Berufsleben lang im Labor stehen, deshalb wechselte ich Anfang der Neunziger in die Fernsehbranche. – Zuerst wollte ich natürlich Regisseur werden, habe aber schnell Abstand von dieser Idee genommen. Die Arbeit am Set finde ich schrecklich. Schreiben ist Kopfkino, darauf hatte ich Lust.
Was war das erste Drehbuch, das du geschrieben hast?
Freunde und ich haben, als wir sechzehn Jahre alt waren, eine Persiflage auf James-Bond-Filme gedreht. Auf Super-8, das waren noch Zeiten. Dafür habe ich mein erstes Drehbuch geschrieben.
Was war dein erstes Drehbuch, für das du bezahlt wurdest?
Das erste Drehbuch, für das ich bezahlt wurde, hieß: Der Sensenmann als Hochzeitsgast, die Adaption eines John-Sinclair-Romans im Auftrag von RTL.
Trash pur, aber lustig.
Was war dein erstes verfilmtes Drehbuch?
Das erste verfilmte Drehbuch hatte den Titel Krautboys und dafür habe ich kein Geld bekommen. Es war die Vorlage für einen Very-Low-Budget-Film, der in Hagen gedreht wurde! (Ich weiß nicht, ob du, Stefan Barth, diese Stadt kennst?)
Der Film kam mit einer einzigen Kopie ins Kino und wir hatten am Ende über tausend Zuschauer.
Schreibst du neben konkreten Aufträgen auch Drehbücher on spec, sprich ohne vorherigen Auftrag/Bezahlung, weil du sie einfach schreiben willst/musst?
Drehbücher on spec schreibe ich im Moment nicht, wenn dann schreibe ich Romane on spec. Ein Manuskript liegt noch unveröffentlicht in der Schublade.
Arbeitest du mit einem Co-Autor oder hast du schon mal mit einem Co-Autor gearbeitet? Wie stehst du dazu? Gute oder schlechte Erfahrungen?
Ich habe schon mit Co-Autoren gearbeitet, meine Erfahrungen sind geteilt. Bei dem Horrorfilm Swimmingpool – der Tod feiert mit habe ich mit Boris v. Sychowski zusammen geschrieben. Das war gut. – Und ich war mal Headautor bei einer RTL-Actionserie, das wurde mir aber zu stressig. Teamarbeit lohnt sich m.E. nur dann, wenn man wirklich wesentlich schneller zu einem guten Ergebnis gelangt als allein.
Was war deine beste Erfahrung als Drehbuchautor?
Die beste Erfahrung – muss ich überlegen. Ja! Die Premiere von The Pool beim Fantasy-Filmfest in München. Wir hatten volles Haus, 300 Plätze waren belegt. Tolle Stimmung, auch wenn es den einen oder anderen Lacher an der falschen Stelle gab.
Was war deine beschissenste Erfahrung als Drehbuchautor?
Sage ich nicht. Schlechte Erfahrungen hake ich ganz schnell ab und versuche, sie zu vergessen.
Wie stehst du zu Drehbuch-Ratgebern? Welche gelesen? Wenn ja, gibt es welche, die du magst und welche, die besser als Toilettenpapier taugen?
Es gibt tatsächlich viel Literatur übers Drehbuchschreiben, in den meisten steht immer dasselbe drin. Die ganz große Ausnahme bildet für mich das Buch: STORY – Die Prinzipien des Drehbuchschreibens von Robert McKee. Dieses Buch liegt auf meinem Schreibtisch und ich schaue da auch regelmäßig rein.
Außerdem sollte jeder mal Syd Field gelesen haben, um es dann wieder zu vergessen. Syd Field ist mir zu pragmatisch und seine Theorien lassen sich auch nur auf 100%-Kommerzfilme anwenden. Aber es ist wichtig, mal davon gehört zu haben.
Robert McKee dagegen behandelt in seinem Buch grundsätzliche Fragen, die man sich nicht oft genug durch den Kopf gehen lassen kann.
Dein Schreibplatz? Büro, Cafè, Toilette? Wo?
Büro. Außerhalb der Wohnung. Allerdings: Vor dem Schreiben, kommt das Denken, und das kann man überall machen. Bei schönem Wetter gehe ich gerne spazieren und rauche mir eine gute Zigarre dabei.
Wie sieht ein typischer Schreibtag bei dir aus?
Bis acht Uhr schlafen, bis spätestens elf im Büro sein. Oft schaue ich mir morgens noch eine Serienfolge an: Netflix oder Amazon. – Dann vier bis fünf Stunden konzentriert schreiben und dann den Tag ausklingen lassen. (Zum Beispiel auf Interviewfragen antworten 😉
Eine besonders bescheuerte Anmerkung seitens Produktion/Redaktion zu einem deiner Bücher:
Eine Volontärin, die über Null Allgemeinbildung verfügte, wollte mir bei einer Besprechung zu einer Krimiserie erklären, dass ein katholischer Priester gegen das Beichtgeheimnis verstoßen muss, wenn ein deutscher Kriminalkommissar ihn dazu auffordert. Ich antwortete: „Ganz richtig. Bei der Gestapo war das so!“
Gab es schon mal den Punkt, an dem du ernsthaft dachtest „Scheiß drauf, ich schmeiß die Brocken hin und mach was anderes“?
Ja. Mehrmals. Aber die mangelnden Alternativen haben mich daran gehindert, es zu tun.
Führst du auch Regie oder hättest du Interesse Regie zu führen?
Zwei mal Nein. Mache ich nicht und kein Interesse, es je zu tun.
Hast du eine Agent*in/eine Agentur? Wenn ja, welche, und was schätzt du daran, eine zu haben? Wenn nein, warum nicht?
Ich verhandele nicht gerne und bin auch ganz schlecht darin. Deshalb brauche ich eine Agentur. Über den Sinn und Unsinn lässt sich streiten, vor allem, da immer mehr Sender nur noch Standardverträge haben. Im Literaturbereich finde ich Agenten sehr wichtig, denn sonst ist es fast unmöglich an einen großen Verlag heran zu kommen.
Hast du schon mal einen Roman geschrieben, oder willst du einen schreiben?
Mein erster Roman Angstmörder (Crime-Thriller) ist seit dem 9. Oktober 2017 im Buchhandel erhältlich. An der Forstsetzung der Reihe sitze ich gerade. – Ich kann jedem Drehbuchautor nur empfehlen, mal einen Roman zu schreiben. Es macht erstens Spaß und zweitens: Autoren werden in der Verlagsbranche ganz anders behandelt.
Hast du einen Lieblings-Drehbuchautor? Ein Vorbild, eine Inspiration? Mehrere?
Ich halte William Goldmann für den besten Drehbuchautor. Und Quentin Tarantino für den besten Autor/Regisseur. Beide sind aber nicht meine Idole, sondern ich bewundere deren Qualität.
Was ist/sind dein(e) aktuelles(n) Projekt(e)?
Ich möchte in Zukunft eigentlich nur noch Romane schreiben. So lange ich noch nicht davon leben kann, schreibe ich noch Drehbücher.
Die letzten drei Filme, die dir gefallen haben:
Ich gehe schon seit Jahren nicht mehr ins Kino, sondern schaue fast ausschließlich Serien.
Drei Serien, die du momentan gerne siehst:
Homeland, The Americans, Mindhunter, Better call Saul, Fargo, Vikings, …
Die letzten drei Bücher, die du gelesen hast:
Unterwerfung, Michel Houellebecq
Konklave, Robert Harris
München, Robert Harris
Ehrensache, Michael Connelly
Zum Schluss: Irgendwelche weisen Worte für angehende Autoren?
Wenn irgendjemand aus der Filmbranche (Regisseur, Produzent, Schauspieler, Redakteur) respektlos über ein Drehbuch herfällt, sollte der Autor sich immer zuerst eine wichtige Frage stellen: Warum tut er/sie das? – Die Antwort lautet nicht selten:
Weil er/sie selbst nicht schreiben kann!
Es gibt diesbezüglich ein schönes Zitat von Sigmund Freud: „Bevor man bei sich selbst eine Depression diagnostiziert, sollte man zuerst überprüfen, ob man nicht nur von Arschlöchern umgeben ist.“
Danke für’s Mitmachen, Lorenz!