DRECKSNEST in den Kindle Lesewochen vom 26.02 bis 04.03.18 für 1,49 Euro
Mein erster Roman Drecksnest wurde ins Kindle Lesewochen Programm aufgenommen und das E-Book ist seit Mitternacht bis nächsten Sonntag um Mitternacht zum halben Preis erhältlich. Sprich schlappe 1,49 Euro. Nicht, dass der Normalpreis hoch wäre.
Drecknest war mein Versuch einen Western im Deutschland der Gegenwart zu schreiben. Spielt in Ostdeutschland. Könnte man also auch einen Ostern nennen. Nein, nicht Ostern mit Eiern, sondern Ostern mit Knarren.
Zur Einstimmung hier ein Auszug aus dem ersten Kapitel:
Rocco wirft einen genervten Blick auf seine Uhr.
Eine Rolex. Gefälscht. Aber das weiß er nicht. Der Fettsack glaubt, das Ding ist echt. Dabei sollte er es wirklich besser wissen. Hinter seinem Rücken machen sich alle darüber lustig, aber niemand sagt es ihm. Irgendwann kriegt er es mit, und dann fliegen die Fäuste, soviel steht fest. Wenn man ihn verarscht, wird der Dicke zum Tier.
– Weißt du, was ich mehr hasse als warten? Warten auf blöde Kanaken.
Dante erwidert nichts. Starrt durch die Windschutzscheibe auf die mit Graffiti beschmierten Betonpfeiler. Rocco hat recht. Die Albaner sind spät dran. Sie warten jetzt bereits fast eine halbe Stunde hier unter der Brücke. Aber was spielt das schon für eine Rolle?
Für Dante jedenfalls keine.
Er steckt sich eine Kippe zwischen die Lippen und zündet sie an. Ein routinierter Prozess, der abläuft, ohne dass Dante sich dessen wirklich bewusst ist. Dabei hätte er beinahe mit dem Rauchen aufgehört.
Für Francesca.
Im Gegenzug wollte sie die Finger vom Kokain lassen. Sie hatten ihren kleinen Deal mit einem Handschlag besiegelt. Einem leidenschaftlichen Kuss. Einer leidenschaftlichen Nacht. An einem Freitag. Der Deal sollte ab Montag gelten. Am Wochenende dazwischen durften sich beide noch einmal ihren Schwächen hingeben, so war die Abmachung. Ein Wochenende, das alles verändert hatte.
Jetzt gilt der Deal nicht mehr.
– Ich versteh nicht, warum Aldo sich mit den Muftis einlässt. Sind doch alles Terroristen. Mieser Abschaum.
Sagt der Abschaum, denkt Dante, aber hält den Mund.
– Wer weiß, vielleicht finanzieren die Wichser mit Aldos Kohle den nächsten Terroranschlag. Dann machen wir uns mitschuldig.
Schon interessant, wenn einer wie Rocco plötzlich moralische Gedankengänge anstellt. Nicht, dass Dante sich für einen besseren Menschen hält, aber zumindest ist er kein Psychopath wie Rocco. Töten gehört zu ihrem Leben. Aber die Freude am Töten, die Freude daran, andere zu quälen, so wie Rocco sie empfindet, die fehlt Dante. Im Gegenteil. Wenn Dante tötet, fühlt er nichts. Absolut gar nichts.
So ist das eben mit der Moral in ihrem Geschäft. Die legt sich jeder selbst zurecht.
Dante raucht schweigend weiter. Er fährt das Fenster des BMW ein Stück nach unten, damit der Rauch abzieht. Nasskalte Herbstluft strömt in den Wagen, trägt den Geruch von fauliger Erde und brackigem Wasser mit sich.
Roccos Wurstfinger trommeln unruhig auf dem Lenkrad herum. Jede Wette, gleich reißt er wieder das Maul auf.
– Hast du das von Francesca gehört?
Dante erstarrt. Ihr Name ist wie ein Schlag in seine Magengrube. Jeder Muskel in seinem Körper verkrampft sich. Er nimmt einen tiefen Zug von der Zigarette.
Rocco lässt nicht locker:
– Hast du?
Dante bläst den Rauch aus. Nickt. Sieht Rocco nicht an. Starrt nach vorn, durch die Windschutzscheibe, in die verregnete Nacht.
– Ja.
Bitte halt die Fresse, denkt Dante. Red nicht weiter. Halt einfach die Schnauze.
Aber den Gefallen tut Rocco ihm nicht.
– Hab gehört, sie ist von ihrem eigenen Scheißbalkon gefallen. Total zugedröhnt. Wie immer.
Er schnauft verächtlich.
– Die blöde Fotze.
Dante denkt an die Waffe in seiner Jacke. Er könnte sie ziehen und Rocco die Mündung an die Schläfe halten. Abdrücken und zusehen, wie sein Gehirn durch den Wagen spritzt. Auch wenn es da nicht viel gibt, was spritzen könnte. Dann müsste er sich wenigstens nicht mehr von diesem Scheiß anhören:
– Nicht, dass ich ’nen Dreck um die Hure gebe, aber ich mochte ihre Titten. Ehrlich, Alter, ihre Titten waren der Hammer.
Dantes linke Hand legt sich auf den Griff der Beretta. Die Entscheidung ist gefallen. Ziehen, abdrücken. Rocco für immer das Schandmaul stopfen.
– Da sind sie. Wurde auch Zeit.
Rocco zeigt durch die Windschutzscheibe auf die Scheinwerfer, die plötzlich auf der anderen Seite der Brücke in der verregneten Nacht leuchten. Sie kommen näher. Dante nimmt die Hand vom Griff der Waffe. Rocco hat keine Ahnung, wie knapp er mit dem Leben davongekommen ist.
Ein Mercedes rollt aus der Regenwand unter die Brücke und hält an. Etwa zehn Meter von ihnen entfernt. Dante kann vorne zwei Gestalten ausmachen und eine dritte auf dem Rücksitz. Er wirft die Kippe durch den Fensterschlitz nach draußen, dann beugt er sich nach hinten und holt den Aktenkoffer vom Rücksitz. Rocco hat die Fahrertür bereits aufgestoßen und kämpft sein Übergewicht schnaufend aus dem Sitz.
Die drei Albaner klettern aus dem Mercedes. Dante kennt nur Tito, den kleinen Kerl in dem zu großen schwarzen Ledersakko. Die beiden anderen sind jung. Der eine ist Anfang zwanzig, muskelbepackt und steckt in einem violetten Jogginganzug – 50 Cent auf Albanisch –, der andere Ende dreißig, trägt Jeans und Bomberjacke.
Dante öffnet die Tür und steigt aus, den Koffer in der Hand. Rechts von ihnen gluckert die Spree, über ihnen rollt und brummt der Verkehr auf der vierspurigen Stadtautobahn.
Die Albaner bauen sich nebeneinander vor dem Mercedes auf. Tito hält einen Koffer in der Hand. Einen schmalen Samsonite. Er sieht Dante an.
– ‚tschuldigung. Standen in Stau.
Natürlich kann Rocco nicht anders:
– Scheiße, Stau. Man lässt Aldo La Sila nicht warten.
Titos faltenzerfurchtes Gesicht mustert den Dicken mit kaltem Blick.
– Du aber nicht La Sila, oder? Also Schnauze, Fettsack.
Rocco macht einen Schritt nach vorn.
– Du zockst mit deiner Gesundheit, du Scheißkanake.
– He.
Dantes Stimme ist laut und wirft ein Echo unter der Brücke:
– Wenn ihr mit dem Schwanzvergleich fertig seid, können wir die Sache hinter uns bringen.
Tito nickt.
– Natürlich.
Dante wirft Rocco einen warnenden Blick zu. Der Dicke schnauft aufgebracht, hält aber die Klappe und starrt die Albaner grimmig an.
Dante und Tito gehen aufeinander zu. Ihre Schritte knirschen auf dem Schotterboden. Sie bleiben auf halber Strecke zwischen den beiden Fahrzeugen voreinander stehen. Dante überragt den älteren Albaner um Haupteslänge. Titos tiefschwarzer Schnurrbart verzieht sich, als er lächelt und ein paar Goldzähne offenbart.
– Wenn Aldo gefällt, was er kriegt, brauchen wir uns nächste Mal nicht mehr unter Brücke treffen wie Gangster in Film.
Tito könnte ein Mundwasser vertragen. Rocco hätte ihm das wahrscheinlich gesagt, aber Dante will die Sache einfach nur hinter sich bringen. Er nickt.
– Wir geben euch Bescheid.
Dann tauschen die beiden Männer die Koffer und gehen zurück zu ihren Fahrzeugen. Dante legt den Koffer auf die Motorhaube des BMW und öffnet die Schlösser. Klappt den Deckel nach oben. Plastikbeutel mit Heroin aus Albanien. Für einen Testlauf mit dem La-Sila-Clan als Verteiler. Das wäre das erste Geschäft zwischen Italienern und Albanern seit sehr langer Zeit.
– Alles klar, Messina?
– Alles klar, Tito.
– Ihr Wichser.
Roccos Stimme. Dante hebt den Kopf. Sieht, dass Tito und seine beiden Jungs Waffen in den Händen halten und auf sie richten. Rocco hat den Kopf wie ein Bulle zwischen die Schultern gezogen und starrt die Albaner hasserfüllt an.
– Ich hab dir gesagt, man kann denen nicht trauen, Dante.
– Was soll der Scheiß, Tito?
Noch während Dante das fragt, gleitet seine Linke im Schutz des aufgeklappten Kofferdeckels zur Beretta in seiner Jacke.
Tito beachtet Dante nicht. Der Blick seiner kleinen, schwarzen Augen ist auf Rocco gerichtet.
– Wie sagst du? Scheißkanake?
Der Schuss kracht laut unter der Brücke, hallt vom Beton wieder. Rocco kippt nach hinten wie ein Sack Mehl.
Um Zeit zu sparen, feuert Dante, sobald er die Beretta aus der Jacke hat. Ungezielt. Direkt durch den aufgeklappten Kofferdeckel. Tito packt sich an die Brust und taumelt nach hinten. 50 Cent und Bomberjacke ducken sich und nehmen Dante unter Feuer. Dante zieht den Kopf ein und taucht in die Deckung des BMW ab, während der Koffer auf der Motorhaube von den Geschossen der Albaner ebenso durchlöchert wird wie kurz zuvor von seinen. Kugelsicher ist Samsonite dann eben doch nicht.